Viele Menschen mit Behinderungen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung. Gleichzeitig haben sie durch ihre Lebenssituation – beispielsweise wegen Assistenz- und Pflegebedarfs oder wegen des Lebens in einer Einrichtung – auch ein deutlich höheres Ansteckungsrisiko.
Die Mehrheit der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland (80 % beziehungsweise 3,31 Millionen) wird nach wie vor zu Hause versorgt. [siehe Statistisches Bundesamt
Deshalb sind auch die Pflegedienste in der höchsten Priorität der Impfverordnung (§ 2 CoronaImpfV).
Allerdings werden viele Pflegebedürftige nicht von Pflegediensten, sondern von anderen Menschen, wie z.B. pflegenden Angehörigen und Assistenzkräften, versorgt. Diese Lebenswirklichkeit wird in der Impfverordnung nicht abgebildet. Sie sollte aber bei sämtlichen Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden. Das reicht von der Frage der Priorisierung bei der Impfung sowie des barrierefreien Zugangs zu Impfungen über die Versorgung mit FFP2-Masken bis hin zur Frage der Versorgung mit Schnelltests, Schutzausrüstung im Allgemeinen und Desinfektionsmitteln. Für alle Schutzmaßnahmen braucht es ein abgestimmtes Konzept, die bisherigen Maßnahmen müssen nachgebessert werden.
Die Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen fordern daher folgendes:
Durch die bisher abschließende Aufzählung der Indikationsgruppen bekommen viele Menschen mit chronischen Erkrankungen und/oder Behinderungen, die ebenfalls ein sehr hohes oder hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, keinen prioritären Schutz.
Am 14.01.2021 hat die Ständige Impfkommission (STIKO) eine überarbeitete Empfehlung veröffentlicht. Darin stellt sie klar, dass nicht alle Krankheitsbilder oder Impfindikationen berücksichtigt werden können. Deshalb sollten Einzelfallentscheidungen möglich sein. Sie empfehlen, die Personen, die nicht explizit erfasst sind, in die jeweilige Priorisierungskategorie einzuordnen. Dies betreffe z. B. Personen mit seltenen, schweren Vorerkrankungen, für die bisher zwar keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz bzgl. des Verlaufes einer COVID-19-Erkrankung vorliege, für die aber ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Verlauf angenommen werden könne.Aus Sicht der Beauftragten betrifft dies besonders Menschen mit starken Beeinträchtigungen, die beispielsweise auf Beatmung und Assistenz angewiesen sind.
Die Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen aus Bund und Ländern fordern die umgehende und umfassende Anwendung der aktuellen STIKO-Empfehlung und eine entsprechende Anpassung der CoronaImpfV des Bundesgesundheitsministeriums.
Außerdem muss die Impfverordnung die STIKO-Empfehlung auch in Bezug auf Kontaktpersonen umsetzen und die Beschränkung auf „eine“ Kontaktperson aufheben.
Zudem fordern die Beauftragten folgende Änderungen der CoronaImpfV:
Zu Beginn der Pandemie wurde zum Infektionsschutz das Tragen von mindestens einfachem Mund-Nasen-Schutz aus Stoff angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt, als die Versorgung mit FFP2-Masken nicht sichergestellt werden konnte, war dies sicher richtig.
Mittlerweile hat sich die Versorgungslage aber entspannt und es gibt seit dem 15. Dezember eine „Verordnung zum Anspruch auf Schutzmasken zur Vermeidung einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“. Die Beauftragten von Bund und Ländern kritisieren, dass bei dieser Verordnung nicht nachvollzogen werden kann, auf welcher Grundlage die genannten Diagnosen, die zu einem Anspruch auf Schutzmasken führen, ausgewählt wurden. Sie fordern daher, dass ein stimmiges Konzept, das auch die Priorisierung der Impfverordnung berücksichtigt, zugrunde gelegt wird.
Zudem fordern sie eine deutliche Ausweitung der Versorgung mit FFP2-Masken, auch mit passenden FFP2-Masken für Kinder mit schweren Vorerkrankungen.
Diese Verordnung wird derzeit überarbeitet und um ambulante Dienste der Eingliederungshilfe erweitert. Die Beauftragten von Bund und Ländern fordern zudem eine Erweiterung um Assistenzkräfte, die über das persönliche Budget finanziert werden. Auch sollte die Testverordnung ebenfalls in ein Gesamtkonzept eingebunden werden.
Auch Impfungen müssen inklusiv gestaltet werden, d.h. alle Personen mit Beeinträchtigungen müssen den gleichen, barrierefreien Zugang dazu haben. Die Beauftragten von Bund und Ländern fordern daher:
Mainz/Berlin, 26. Januar 2021