Was denken die Menschen über den nicht-invasiven Pränataltest?
Wir haben acht Personen befragt und im Rahmen einer Social Media Kampagne auf Twitter und Facebook haben wir ihre Meinungen geteilt.
"Ich finde es überhaupt nicht gut, wenn schon vor der Geburt jemand wie ich aussortiert werden kann. Ich habe Freunde und Freundinnen mit und ohne Trisomie 21 und wir sind alle verschieden. Aber alle haben Träume, Wünsche und Ziele, die wir in unserem Leben erreichen wollen. Der NIPt-Test macht klar, dass Menschen mit Trisomie 21 eigentlich nicht erwünscht sind. Das verstößt gegen das Gesetz. Ich finde, dass wir einfach zur Gesellschaft dazugehören."
„Danke Bremen für diese wichtige Initiative! Beim vorgeburtlichen Bluttest geht es nicht um eine soziale Frage oder um Selbstbestimmung - sondern um Diskriminierung und Selektion. Der Bundestag muss das endlich verstehen und sich ernsthaft damit beschäftigen, ob behinderte Menschen in dieser Gesellschaft den gleichen Platz und die gleiche Würde haben wie alle anderen.“
Beeinträchtigungen und Behinderungen sind selbstverständliche Bestandteile menschlichen Lebens. Behinderte Menschen bereichern eine Gesellschaft, weil sie dadurch vielfältiger wird. Ohne uns würde etwas fehlen. Deshalb unterstütze ich die Bremer Bundesrats-Initiative!
„Die Bremer Initiative hat meine volle Unterstützung! Als Lebenshilfe haben wir von Anfang an die Bluttests als kassenärztliche Leistung abgelehnt, da sie keinen therapeutischen Zweck haben. Es geht nicht darum, die schwangere Frau oder ihr Kind medizinisch zu behandeln – sondern um die Unterscheidung von Leben mit und ohne Behinderung. Oder zugespitzt die Unterscheidung in wertes und unwertes Leben, denn der Befund eines Down-Syndroms oder einer anderen Trisomie führt in den meisten Fällen zum Abbruch der Schwangerschaft. Betroffenen Menschen wie Sebastian Urbanski, mit dem ich wunderbar im Bundesvorstand der Lebenshilfe zusammenarbeite, macht das sehr große Angst. Sie fühlen sich durch die Bluttests diskriminiert.“
Unser 6jähriger Sohn Hugo lebt mit dem Down Syndrom. Als ich mit ihm schwanger war, wurde bewusst kein Bluttest durchgeführt. Würde ich es wieder so machen? Ziemlich wahrscheinlich ja. Sicher, Hugo hat seine Besonderheiten. Er ist unglaublich stur und bringt selbst Geduldigste an ihre Grenzen. Aber er ist auch die größte Bereicherung in meinem Leben. Hugo zeigt uns, wie eine bunte, offene Gesellschaft miteinander umgehen sollte. Er begegnet jedem Menschen, egal, ob nett oder miesepetrig mit der gleichen Empathie und Ehrlichkeit – Ein menschlicher Zug, den ich zunehmend vermisse.
Ich danke allen Beteiligten für diese wichtige Bundesrat-Initiative zum NIPT. Ich erhoffe für uns, aber auch für alle werdenden Mütter, Familien und unsere Gesellschaft eine breite Debatte um den Sinn und die Signale vom NIPT. Es geht an dieser Stelle nicht um das Infragestellen der Selbstbestimmung der Frau. Hier geht es um viel mehr: NIPT ist ein Schritt hin zu Selektion und legt alles besondere, nicht der Norm entsprechende Leben auf die Waagschale. Wer hat das Recht zu entscheiden, welches Lebens lebenswert ist und welches nicht?
Lovis, unser neunjähriger Sohn mit Down Syndrom, verwechselt im Gespräch mit Menschen immer wieder „er“ und „sie“. Vor wenigen Tagen sagte er, er habe ein Baby im Bauch und sei ein Vater. Lovis hat eine sehr eigene phantasievolle und queere Vorstellung von der Welt. Das Zusammenleben mit ihm macht Spaß, aber manchmal ist es auch anstrengend, weil er viel krank ist. Der pränatale Bluttest verengt leider den Blick auf die mögliche Behinderung des werdenden Kindes. Dass jeder Mensch etwas ganz eigenes und einen großen Reichtum mit in die Welt bringt, gerät dadurch leicht aus dem Blick.
"Seitdem die ersten NIPTs auf den Markt gekommen sind, 2012, beschäftigen wir uns in der Beratungsstelle Cara kritisch mit der Problematik einer flächendeckenden Einführung selektierender Pränataldiagnostik. NIPTs können sehr wenig. Sie können weder heilen, noch Prävention leisten. Sie führen aber zu einer starken Verunsicherung und bringen Menschen in einen eigentlich unmöglichen Entscheidungskonflikt: eine gewollte Schwangerschaft zu einem sehr frühen Zeitpunkt zu beenden. Genau dies ist, was wir befürchteten und jetzt beobachten. Wir sehen, dass NIPTs regelhaft angewendet werden auch bei jenen, für die sie nur unzuverlässige Ergebnisse liefern. Manchmal gar, dass sie ohne das Wissen der Schwangeren angewendet werden, zum Beispiel wenn Sprachbarrieren bestehen. Wir sehen Schwangerschaftsabbrüche nach einem positiven Ergebnis, ohne, dass darauf gewartet wird, das Ergebnis diagnostisch abzuklären.
Die Bundesregierung hat sich vor ihrer ethischen Verantwortung gedrückt, hat keine ausreichende Debatte geführt und anstatt dessen die Entscheidung über die Einführung der Tests an ein Verwaltungsgremium (den GBA) delegiert. Mit der Einführung der NIPTs als Krankenkassenleistung hat sie ihren Schutzauftrag gegenüber einer besonders vulnerablen Gruppe verletzt und bricht mit den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention. Die einzige Gewinnerin ist die Pharmaindustrie.
Umso mehr begrüßen wir, dass das Land Bremen durch die Bundesratsinitative die so dringend benötigte Verantwortung übernimmt und dieses Thema wieder aufs politische Tablett bringt. Wir erhoffen uns eine wirkliche Auseinandersetzung und Debatte mit dem Ziel, die allgemeine Kassenzulassung des NIPT zu revidieren."
"Ich finde, dass die Politiker Gas geben sollen und weiter über die Kassenfinanzierung von dem Bluttest auf Down Syndrom diskutieren müssen. Wir Menschen mit Down Syndrom wollen nicht aussortiert werden. Wir haben das Recht zu leben."
Mit dieser klaren Botschaft von Natalie Dedreux beenden wir die Serie "Meine Meinung zur bremischen Bundesrats-Initiative".
Wir danken für die vielen Statements in den vergangenen Tagen und sind jetzt gespannt was auf Bundesebene passiert.