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„kurz aufstehen muss möglich sein, sonst geht's nicht“

Vorstellung der Studie zur barrierefreien gynäkologischen Versorgung in Bremen

Am 30. Oktober wurde die Erhebung zur gynäkologischen Versorgung von behinderten Frauen im Land Bremen vorgestellt. Als einer der Initiatoren der Erhebung hat der Landesbehindertenbeauftragte, Arne Frankenstein die rund 100 Teilnehmenden aus ganz Norddeutschland begrüßt. Er machte dabei deutlich, dass die Anmeldezahl, aber besonders auch die vielen Mails aus ganz Deutschland im Vorfeld der Veranstaltung den Bedarf an barrierefreien gynäkologischen Praxen erneut deutlich gemacht haben. Auf dieser Seite fassen wir die Veranstaltung und erste Ergebnisse der Erhebung zusammen. Im November stellen wir hier die Präsentation der Veranstaltung in einer barrierefreien Fassung zur Verfügung. Im Frühjahr 2025 erfolgt dann die Veröffentlichung einer Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie sowie unsere Handlungsempfehlungen.

Die Begrüßung der Teilnehmenden erfolgte durch die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, Claudia Bernhard sowie Arne Frankenstein in seiner Funktion als Landesbehindertenbeauftragten. Frankenstein griff bereits ein Ergebnis der Erhebung auf, welches aus seiner Sicht die aktuelle Situation für behinderte Frauen die gynäkologische Versorgung im Land Bremen beschreibt: Nicht eine Praxis im Land Bremen hält derzeit einen Patient*innen-Lifter vor. Es geht nun darum, unter anderem mit der Veränderung von Mikroprozessen einer Verfestigung von Benachteiligung in der gynäkologischen Versorgung mit Nachdruck und wirksam entgegenzutreten. Claudia Bernhard machte deutlich, dass die Veranstaltung ein Auftakt bilden soll, um in Bremen zu substanziellen Verbesserungen zu kommen. Dr. Mo Urban, Referentin der Landesfrauenbeauftragten, führte durch die Veranstaltung und eröffnete die Präsentation der Ergebnisse und moderierte die dann folgende Podiumsdiskussion.

Die Erhebung der gynäkologischen Versorgung von behinderten Frauen im Land Bremen wurden in Kooperation durch die Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten und dem Office des Landesbehindertenbeauftragte geleitet und ist von der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz beauftragt. Sie umfasst drei Teilerhebungen. Die Teilerhebungen wurden durchgeführt und auf der Veranstaltung vorgestellt von den beiden Gesundheitswissenschaftlerinnen Anna Lotta Löw und Inari Priess sowie der Sozialwissenschaftlerin Dr. Ines Pohlkamp. Die Erhebungen basieren sowohl auf Auswertungen von Fragebögen als auch auf vertiefenden Interviews.

Aussage einer Nutzer*in
„Ich hatte einen ganz, ganz tollen Arzt. Da bin ich auch bis zum Schluss gewesen, obwohl ich dann immer jemanden brauchte. Und ich bin dann auf dem Gesäß die Treppe rauf und das ist natürlich kein Zustand. Das ist schon ganz übel .”

Aussagen einer Mitarbeiter*in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe
„Und mit der Barrierefreiheit ist es ja auch primär gar nicht getan, weil unsere Klienten benötigen ja teilweise dann auch Hilfsmittel, die ebenfalls in den Praxen nicht vorhanden sind. Die Praxen sind eigentlich gar nicht für unsere Nutzer ausgelegt.“

Aussage einer Initiator*in des Spezialangebots am Klinikum Bremen Mitte
„Die Sprechstunde war ja nur als eine Art Zwischenlösung gedacht, in der Hoffnung, dass es von da ausgehend tatsächlich eine Bewegung gibt, hin zu mehr barrierefreien Praxen, die auch bekannt machen, dass sie barrierefrei sind. Und damit die Ambulanz sukzessive auch wieder überflüssig wird. Die Entwicklung scheint ja irgendwie nicht eingetreten zu sein."

Im Nachgang erfolgten Rückfragen aus dem Publikum zur Durchführung sowie den Ergebnissen der Studie. Im zweiten Teil der Veranstaltung erfolgte eine Podiumsdiskussion mit

  • Andrea Sabellek (Selbstbestimmt Leben e.V.) zur Position von Interessensvertretungen behinderter Menschen,
  • Bettina Bosselmann (Gynäkologin) zur Lage in den niedergelassenen Praxen sowie den Handlungsbedarfen für das Spezialangebot am Klinikum Bremen-Mitte
  • Arne Frankenstein zu behindertenpolitischen Punkte

In der Podiumsdiskussion ging es um mögliche Fortbildungen und Sensibilisierung für medizinisches Personal im Umgang mit behinderten Menschen, um allgemein eine barrierefreie gynäkologische Versorgung im Sinne von „Hinkommen – Reinkommen – Klarkommen“ und zuverlässige Angaben zur Barrierefreiheit von Arztpraxen. Zum letztgenannten Punkt wurde eine reine Selbstauskunft der Inhaber*innen von Arztpraxen als unzureichend gesehen. Immer wieder wurde auch auf die Bedeutung von der Veränderung von Mikroprozessen im Ablauf von Arztpraxen hingewiesen.

Pressemitteilung: Lücken in der gynäkologischen Versorgung von Frauen mit Behinderung

Nachdem von Interessenvertreter*innen behinderter Menschen und Gynäkolog*innen Hinweise beim Landesbehindertenbeauftragten (LBB) und der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) eingingen, dass die barrierefreie gynäkologische Versorgung in Bremen nicht ausreicht und wegen Renteneintritten von Gynäkolog*innen auch die barrierefreie Sprechstunde am Klinikum Bremen-Mitte (KBM) zukünftig nicht mehr gesichert werden kann, fand eine Besichtigung der Räumlichkeiten statt. In dieser wurden sowohl räumliche als auch technische Probleme sichtbar. LBB und ZGF sahen Handlungsbedarf.
In ersten hieran angeschlossenen Probeinterviews berichteten mobilitätsbehinderte Frauen von Versorgungsengpässen, ihrer Unzufriedenheit gegenüber dem Angebot (u.a. zu selten geöffnet bspw. bei Schwangerschaft oder Erkrankungen daher nicht ausreichend, keine freie Ärzt*innenwahl). Es stellte sich heraus, dass es kaum Kenntnisse zu weiteren Angeboten in Bremen gibt und ob diese die Bedarfe an barrierefreien Angeboten auffangen (können). Auch weitere Informationen auf „Barrierefrei Bremen“ und über die Seite der Kassenärztlichen Vereinigung konnten dies nicht ersetzen.
Hieraus resultierte das Vorhaben, eine umfassende Erhebung mit drei Teilbereichen zu initiieren: Die Perspektive der Nutzer*innen, die der Gynäkolog*innen und Initiator*innen des Spezialangebots sowie der Fachkräfte in der Eingliederungshilfe im Land Bremen.

Ziel der Erhebung: Das Forschungsinteresse besteht darin, sowohl quantitative als auch qualitative Daten zu sammeln, um ein umfassendes Bild davon zu zeichnen, wie Frauen* mit Mobilitätsbehinderungen, Gynäkolog*innen und Fachkräfte der Eingliederungshilfe die bestehende Versorgungssituation im Land Bremen erleben.

Wer wurde befragt:

  • Perspektive der Nutzenden
    jede Frau ab 12 Jahren, die im Land Bremen lebt und aG (außergewöhnlich gehbehindert) als Merkzeichen in ihrem Schwerbehindertenausweis hat. Hier wurden knapp 1900 Frauen angeschrieben und 280 ausgefüllte Fragebögen gingen wieder zurück. Die Response zu den Fragebögen von ca. 13 Prozent entspricht der Response, die üblicherweise in populationsbasierten Studien zu verzeichnen ist. Außerdem wurden 13 vertiefende Interview geführt.
  • Perspektive der Gynäkolog*innen und der Initiator*innen des Spezialangebots am Klinikum Bremen-Mitte
    Von den 147 angeschriebenen Gynäkolog*innen, die Gesamtheit aller Gynäkolog*innen im Land Bremen, haben 28 den online Fragebogen ausgefüllt. Sechs vertiefende narrative Interviews wurden geführt.
  • Perspektive der Fachkräfte aus der Eingliederungshilfe
    Alle Einrichtungen der Leistungsanbieter Wohnen wurden angeschrieben (109 Adressen) und 40 haben den online Fragebogen ausgefüllt. Adressiert wurden die Wohngruppenleitungen, um die Expertise der Fachkräfte vor Ort erheben zu können, die sich um die Versorgung der Frauen in ihren Einrichtungen kümmern, so diese dies nicht eigenständig erledigen. Sechs Einrichtungen mit insgesamt acht Fachkräften standen für Interviews bereit.

In Bremen existieren im August 2024 71 gynäkologische Praxen, doch die tatsächliche Barrierefreiheit dieser Einrichtungen ist unklar, denn die von der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen (KV-HB) erhobenen Kategorien zur Barrierefreiheit gelten als nicht ausreichend aussagekräftig, gibt der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. 2021 zu Protokoll. Zwar erhebt die KV-HB die Barrierefreiheit aller ambulanten kassenärztlichen Praxen, einschließlich der gynäkologischen Praxen, jedoch wird kritisiert, dass die dort aufgeführten Kategorien der Barrierefreiheit für potenzielle Nutzer*innen nicht ausreichend aussagekräftig sind, besonders da sie auf der Selbstauskunft der Praxen beruhen und diese nicht unbedingt über ausreichende Expertise über Barrierefreiheit verfügen.

Zusätzlich zu den ambulanten, barrierefreien gynäkologischen Praxen gibt es in Deutschland spezielle barrierefreie gynäkologische Ambulanzen und Sprechstunden, die sich hauptsächlich an Frauen* mit Mobilitäts- und Mehrfachbehinderungen richten. Diese sind meist an Kliniken angebunden. Deutschlandweit gibt es fünf solcher Angebote. Sie befinden sich in Berlin, Dachau, Erlangen, Frankfurt am Main und Bremen.

Das Spezialangebot in Bremen heißt "barrierefreie gynäkologische Sprechstunde am Klinikum Bremen-Mitte". Es wurde 2011 ins Leben gerufen und bietet derzeit alle drei Wochen mittwochs von 15 bis 19 Uhr Termine an. Im Jahr 2024 arbeiten dort sechs Gynäkolog*innen quasi ehrenamtlich. Das KBM stellt während der Sprechzeiten das notwendige Praxispersonal bereit. Termine können über die Telefonnummer der KV vereinbart werden und die Abrechnung erfolgt über die KV Bremen. Während der Covid-19-Pandemie wurde die Sprechstunde von einem damals vierzehntägigen auf einen vierwöchentlichen Rhythmus reduziert. Zudem gab es im Jahr 2020 einen Umzug innerhalb des Klinikums Bremen-Mitte, was die Ausstattung und Erreichbarkeit möglicherweise beeinflusst hat. Es ist derzeit unklar, ob dieses Angebot den tatsächlichen Bedarf deckt.

An dieser Stelle werden die Ergebnisse der drei Teilerhebungen schlagwortartig aufgeführt. Im Frühjahr 2025 erfolgt die Veröffentlichung einer umfänglichen Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie.

Nutzende:

  • Herausforderungen durch die bestehende Versorgung: Frauen berichten von persönlichen Belastungen und psychischen Anstrengungen. Manche Besuche sind demütigend und sie verspüren Scham. Sie berichten von respektlosem oder entmündigendem Verhalten in gyn. Praxen. Nur ein Viertel hat eine gute Beziehung zur Ärzt*in.
  • Handlungsbedarfe durch die Nutzenden in Hinblick auf die Räumlichkeiten angesprochen: Zugänglichkeit verbessern, z.B. stufenlose Zugänge, Rampen. Ausstattung verbessern: behindertengerechte WCs, höhenanpassbare Untersuchungsstühle, höhenverstellbare Untersuchungsliegen, abgesenkte Anmeldetresen. Entsprechende Handlungsbedarfe sind schon durch den Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter, Bündnis inklusives Gesundheitswesen und in wissenschaftlicher Literatur formuliert.
  • Handlungsbedarfe durch die Nutzenden in Hinblick auf die Versorgung angesprochen: Personal durch Fortbildungs- und Sensibilisierungsangebote schulen, inklusive und respektvolle medizinische Versorgung ermöglichen, individuelle Anpassungen im Praxisablauf bewerkstelligen (z.B. Randzeiten anbieten, da höherer Zeit- und Personalbedarf), alternative Versorgungskonzepte andenken (ggf. Hausbesuche, Praxis-Sharing).
  • Mit Blick auf die Sprechstunde am Klinikum Bremen-Mitte: das Angebot ist nur einem Viertel der Befragten bekannt, kritisiert wird die fehlende freie Ärzt*innenwahl, die geringe Anzahl der Termine und die verkleinerte Räumlichkeit.

Gynäkolog*innen und Initiator*innen des Spezialangebots:

  • Rückmeldungen der Gynäkolog*innen in Bezug auf die aktuelle Versorgungssituation in den Praxen im Land Bremen:
    Personal hilft Patient*innen auf den Behandlungsstuhl: 89,29 %
    höhenverstellbarer gynäkologischer Untersuchungsstuhl vorhanden in 85,71 % angegeben als barrierefreie Praxis: 67,86 % (hier haben die Daten einen Bias, da vermutlich nur jene Praxen geantwortet haben, die sich bereits mit dem Thema befassen)
    zur Verfügung steht: Liege zum Umziehen: 50,00 %
    barrierefreies WC: 48,43 %
    weitere Hilfsmittel: 14,29 % (z.B. höhenverstellbare Liege)
    Lifter: 0,00 %
    Auffällig ist bei diesen Angaben besonders, dass zwar fast 2/3 der Praxen, die teilgenommen haben, angibt, eine barrierefreie Praxis zu sein, aber ein barrierefreies WC weniger als die Hälfte hat und keine Praxis über einen Lifter verfügt (nur das Spezialangebot am KBM).
  • Wann ist die Versorgung von Frauen* mit Mobilitätsbehinderungen nicht möglich? Wenn räumliche Barrieren (Treppen) vorhanden sind (Frauen mit Rollator arbeiten sich mit dem Po die Treppen hoch, um einen bestimmten Arzt oder Ärztin zu sehen geht das nicht, ist bei manchen Praxen keine Behandlung möglich). Außerdem wurde das Fehlen eines Lifters dann als problematisch angegeben, wenn die Patient*innen gewichtig oder stark in der Mobilität eingeschränkt sind.
  • Herausforderungen für die Gynäkolog*innen:
    erhöhter Zeitbedarf bei gleichzeitig unzureichender Vergütung
    räumliche Barrieren, fehlende Ausstattung (v.a. Lifter)
    körperliche Belastung bei Patient*innen-Transfer auf den Behandlungsstuhl
    Mobilität von Patient*innen ist geringer, als angenommen und die Versorgung muss noch mehr improvisiert werden. hier spielt dann im Besonderen der Personalmangel rein, denn die Versorgung ist personalintensiver
    fehlende Fortbildung – nicht nur für die Gynäkolog*innen, sondern auch für Medizinische Fachangestellte (MFA).
  • Spezialangebot am KBM: Probleme für Gynäkolog*innen: kurzfristige Terminabsagen, Unterfinanzierung der Tätigkeit, Nachfolge nach Renteneintritten größtenteils ungeklärt, fehlende Digitalisierung – damit doppelter Aufwand wegen der Übertragung von Papierakten im KBM in die Patient*innenakte in der eigenen Praxis, viel Bürokratie, Organisationsform unattraktiv –vor allem, dass der Mittwochnachmittag nicht mehr für Arbeiten in der eigenen Praxis zur Verfügung steht, ohne dafür angemessen bezahlt zu werden
  • Spezialangebot am KBM: Die Sicht der Gynäkolog*innen auf die Probleme der Patient*innen: keine freie Ärzt*innenwahl, lange Wartezeiten, mangelnde Flexibilität (Terminvergabe), seit dem Umzug: schwer zu finden, Weg vom Parkplatz länger, keine Akutversorgung & fortlaufende Behandlung möglich
  • Handlungsbedarfe für die Regelversorgung: bedarfsgerechte Vergütung, Barrierefreiheit verpflichtend u. transparent erfassen & überprüfen, finanzielle Förderung von Praxen zum Ausbau der Barrierefreiheit, Fortbildungen zur Sensibilisierung für Gynäkolog*innen und MFAs
  • Handlungsbedarfe für das Spezialangebot: bedarfsgerechte Vergütung, Digitalisierung vorantreiben, Organisationsform verändern: z.B. in eine Ambulanz mit Festanstellung umwandeln, Gremium zu Verbesserungsmaßnahmen der barrierefreien gynäkologischen Versorgung etablieren

Perspektive der Fachkräfte der Eingliederungshilfe

  • Bestandsaufnahme: Nutzen die Bewohner*innen ihrer Einrichtung regelmäßig den Anspruch auf gynäkologische Versorgung?
    Über die Hälfte sagen ja, 15% nur bei Beschwerden, 10% Bewohner*innen gehen unregelmäßig und insg. wären 20% in den letzten zehn Jahren bei keiner Gynäkolog*in gewesen.
  • Wie bewerten die Fachkräfte das vorgefundene Angebot:
    7% sind sehr zufrieden („Die Versorgungslage ist ausreichend. Wir haben konkrete Praxen, an die wir uns wenden und mit denen wir gut zusammenarbeiten können.“),
    60% sind zufrieden („Versorgungslage ist okay. Wir arrangieren uns“)
    und 28% sind unzufrieden („Die Versorgungslage ist schlecht und es fehlt an barrierefreien Praxen in der Gynäkologie und in der Gesundheitsversorgung insgesamt“
    sowie resignative Unzufriedenheit: „Die Versorgungslage ist schlecht für alle, also ist sie noch schlechter für unsere Bewohner*innen mit Mobilitätsbehinderungen“) (Prozentrest: keine Angabe).
  • Herausforderungen:
    Fachkräftemangel in der Eingliederungshilfe trifft auf mangelnde barrierefreie gynäkologische Versorgungslage, da die Besuche mitunter zwei Kräfte binden. Mangel an Inklusion in der gynäkologischen Versorgung der Nutzer*innen mit Mehrfachdiagnosen.
  • Handlungsbedarfe, die die Fachkräfte der Eingliederungshilfe sehen:
    Informationen zu allen gynäkologischen Themen in Leichter Sprache und verschiedenen Sprachen. Schaffung ausreichend stadtteilnaher barrierefreier Angebot. Außerdem müssen die Angaben zu den Barrieren in den Praxen konkreter sein, sowie durch Fachpersonen verifiziert werden. Oftmals haben die Praxen keine Erfahrungen mit dem, was Barrierefreiheit wirklich bedeutet und die Patient*innen (und ggf. Fachkräfte der Eingliederungshilfe) sind dann vor Ort mit Gegebenheiten konfrontiert, die ihre Versorgung verunmöglichen oder die Praxis vor Herausforderungen stellen. Dieser Zustand ist für alle Seiten unbefriedigend. Schließlich besteht der Wunsch danach, dass „inklusive Mikroprozesse“ in den gynäkologischen Praxen angestoßen und die Versorgung dadurch verbessert wird (zum Beispiel betreffend: von konkreten Nachfragen bei der Anmeldung bis hin zur Ansprache der Patient*innen auf Augenhöhe). Für die Verbesserung der Versorgung werden sich Netzwerke gewünscht, die best practice-Beispiel entwickeln und eine Verbesserung der Versorgung „ohne großen finanziellen Aufwand“ ermöglichen. Diese Netzwerke sollten multiprofessionell besetzt sein (u.a. Gynäkolog*innen, Fachkräfte aus den Einrichtungen, Sexualpädagog*innen, Interessenvertretungen behinderter Menschen).

Die Diskussion im Rahmen der Veranstaltung und insbesondere auch die vorgestellten Studienergebnisse zeigen deutlich, dass die Versorgungssituation im Land Bremen mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert ist. Analog zu anderen Kommunen und Ländern in Deutschland ist auch im Land Bremen ein unzureichendes Angebot für Frauen* mit Mobilitätsbehinderungen festzustellen. Das bestehende Angebot ist weder flächendeckend nutzbar noch gleichwertig mit der von Personen ohne Behinderungen ist. Frauen* mit Mobilitätsbehinderungen werden dadurch in ihrem Menschenrecht auf gleichberechtige gynäkologische Versorgung behindert.
Der Landesbehindertenbeauftragte und die Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten werden sich im weiteren Verlauf der Diskussion gemeinsam mit der Interessensvertretung behinderter Menschen für konkrete Maßnahmen (weiterhin) einsetzen. Die vorgestellte Erhebung unterstützt die Forderung nach einer vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen im Gesundheitssystem.

Im Frühjahr 2025 erfolgt die Veröffentlichung einer Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie sowie unsere Handlungsempfehlungen.

Im Rahmen dieser Umfrage sollen sowohl die Bedarfe an barrierefreien gynäkologischen Angeboten ermittelt, die Versorgungsangebote seitens gynäkologischer Praxen reflektiert und die Angebote der Leistungsanbieter erhoben werden. Ziel der Umfrage ist es, auf Grundlage der ermittelten Bedarfe und Angebote, Qualitätsanforderungen an die gynäkologische Versorgung von mobilitätseingeschränkten Frauen zu formulieren und langfristig Maßnahmen anzuschieben, die eine mögliche Versorgungslücke zu schließen vermögen, so diese denn besteht.

Eine rechtliche Verpflichtung zum Schließen der Versorgungslücke ergibt sich unmittelbar aus der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Nach Artikel 25 ist eine Gesundheitsversorgung behinderter Menschen in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard sicherzustellen. Insoweit ist eine gesicherte Feststellung eines potentiellen Mangels sowie die Ableitung sich daraus ergebender Maßnahmen geboten, um den Anforderungen der UN-BRK Rechnung zu tragen.
Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz hat für die Auswertung der Umfrage die Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten (ZGF) beauftragt und die Studie begleitet. Vorbereitet und unterstützt wird die Umfrage seitens des Büros des Landesbehindertenbeauftragten. Die wissenschaftliche und datenschutzrechtliche Verantwortung für die Auswertung liegt bei der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. Ansprechpartnerin in der ZGF ist die Referentin für Gesundheit Dr. Mo Urban.