Vor zehn Jahren unterschrieb Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Ebenfalls im Jahr 2009 sprach sich die Bremische Bürgerschaft für eine Schulreform aus, welche den Auftrag aus der UN-BRK aufgreift und sich verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem zu gewährleisten. Nach einer Dekade haben der Landesbehindertenbeauftragte sowie der Verein "Eine Schule für Alle Bremen e.V." am 19. März 2019 beide Ereignisse zum Anlass genommen und zur Veranstaltung "Schulische Inklusion in Bremen – Bilanz und Perspektiven" geladen.
Nach einführenden Worten des Moderators Robert Benckert merkte der Landesbehindertenbeauftragte, Joachim Steinbrück bereits in seiner Begrüßung an, dass die erfreulich hohe Anzahl an Anmeldungen ein deutliches Zeichen dafür sind, dass das Interesse an der Weiterentwicklung der schulischen Inklusion im Bundesland Bremen groß ist. Die Debatte darf dabei aus seiner Sicht nicht auf einzelne Schulformen reduziert werden.
Als Hauptreferentin sprach Ute Erdsiek-Rave als Vorsitzende des Expertenkreises „Inklusive Bildung“ der Deutschen UNESCO-Kommission. 2009 war aus ihrer Sicht ein Schlüsseljahr, in dem durch die Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention die Inklusive Bildung nachdrücklich auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Scharf kritisiert Erdsiek-Rave die unterschiedliche Herangehensweise einzelne Bundesländer. So ist eine Bandbreite bei der inklusiven Beschulung von über 80% in Bremen und nur ca. 21% in Hessen zu verzeichnen. Ebenfalls ging Erdsiek-Rave in ihrem Vortrag auf das Thema Ressourcen ein: Aus ihrer Sicht benötigt jede Reform ein materiellen Anschub und Anreiz – aber eine noch so unzureichende oder als solche empfundene Finanz- oder Personalausstattung darf aus ihrer Sicht keine Entschuldigung für Nichtstun, für mangelndes Nachdenken oder für das Liegenlassen der Probleme sein.
Nach dem Blick auf die Situation im gesamten Bundesgebiet, richtete Joachim Steinbrück sein Augenmerk anschließend auf Bremen. Er beschrieb den Weg der Schulreform 2009 und der anschließenden Umsetzung. Für eine verstärkte Teilhabe behinderter Schüler hält der Beauftragte unter anderem folgende Schritte für erforderlich:
Wie kann eine Teilhabe aller Kinder in der Praxis erfolgreich gelingen?
Die Paula-Modersohn-Schule aus Bremerhaven und die Gesamtschule Bremen-Ost sind Beispiel dafür, dass Inklusion funktionieren kann. An der Paula-Modersohn-Schule teilen sich die Schülerinnen und Schuüler ihre Aufgaben selbst ein – solange, bis sie sich fit genug für einen Test fühlen. Wird dieser dann mit mindestens 80 Prozent bestanden, geht es eine Lernstufe höher. An der Gesamtschule Bremen-Ost wird hingegen mit vielen Projekten gearbeitet, in denen die Schülerinnen und Schüler Selbstvertrauen sammeln. Darüber hinaus können Lernschwerpunkte je nach Neigung und Interesse gewählt werden.
Anschließend folgte eine Diskussion mit Senatorin Claudia Bogedan und den bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Bürgerschaftsfraktionen. Übergreifend sprach man sich dafür aus, dass mehr Ressourcen für das Schulsystem notwendig sind, aber auch weiter an der Haltung aller Beteiligten gearbeitet werden muss. Ferner wurde wiederholt die Forderung von Frau Erdsiek-Rave unterstützt, die inklusive Beschulung bundesweit einheitlich zu regeln.
Nach mehr als vier Stunden bedankte sich Joachim Steinbrück für eine lebendige und interessante Veranstaltung. Sein Resümee lautet:
"10 Jahre schulische Inklusion in Bremen – Einiges erreicht, aber noch viel vor"