Mit der Schulreform des Jahres 2009 haben die Schulen in Bremen den Auftrag erhalten, sich zu inklusiven Schulen zu entwickeln, in denen Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen völlig selbstverständlich am gemeinsamen Unterricht teilnehmen.
Hierdurch soll Art. 24 der Behindertenrechtskonvention (BRK) umgesetzt werden, mit dem Deutschland sich verpflichtet hat, ein inklusives Bildungssystem zu gewährleisten. Die BRK, die in Deutschland im März 2009 in Kraft getreten ist, hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft und ist deshalb auf allen Ebenen staatlichen Handelns zu beachten.
Dies bedeutet auch, dass die Entscheidung, ob das Schulsystem inklusiv und der gemeinsame Unterricht behinderter und nicht behinderter Schülerinnen und Schüler gefördert werden soll, nicht mehr zur Disposition des (Landes-) Gesetzgebers steht. Mit der Ratifizierung der Konvention durch Bundestag und Bundesrat im Dezember 2008 ist diese Entscheidung zu Gunsten der Inklusion vielmehr bereits verbindlich getroffen worden.
Um den Prozess der Inklusion und den gemeinsamen Unterricht zu gewährleisten, werden nach dem Schulgesetz und dem Entwicklungsplan Inklusion (EPI) in Bremen und Bremerhaven regionale Beratungs- und Unterstützungszentren und an den Schulen Zentren für unterstützende Pädagogik (ZuP) eingerichtet, die auf Schulebene die sonderpädagogische und weitere unterstützende Pädagogik z.B. für hochbegabte Schülerinnen und Schüler inhaltlich und ressourcenmäßig steuern und gewährleisten sollen.
Die ZuP-Leiterinnen und -Leiter sind Mitglied der jeweiligen Schulleitung.
Von den ursprünglich acht geplanten REBUZ in der Stadtgemeinde Bremen haben bisher vier ihre Arbeit aufgenommen, die personelle Ausstattung der ZuP ist an vielen Schulen noch nicht abgeschlossen und sie haben daher dort ihre Arbeit nicht oder zumindest noch nicht in vollem Umfang aufnehmen können.
Gegenwärtig wird der Entwurf einer Verordnung zur unterstützenden Pädagogik (VUP) beraten, die zu Beginn des Schuljahres 2012/13 in Kraft treten soll.
Bisher nicht entwickelt worden sind einheitliche und verbindliche Qualitätsstandards für inklusiven Unterricht, aus denen sich u.a. auch die sächlichen und personellen Anforderungen ergeben, die beim gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter Kinder und Jugendlicher erfüllt sein müssen.
Das bisherige System der Schulassistenz wird seit Beginn des Schuljahres 2011/12 umgestaltet: an Stelle einer individuellen Zuordnung von Assistenzkräften soll eine systemische Zuordnung erfolgen, d.h. die Schulen erhalten eine bestimmte Anzahl von Assistenzkräften, die dann für mehrere Schülerinnen und Schüler zuständig sein sollen.
Die noch aus dem Jahr 2000 stammende Assistenzrichtlinie wurde bisher jedoch nicht aktualisiert. Es fehlen also Regelungen, aus denen sich ergibt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang einzelnen Schulen Assistenzkräfte zur Verfügung gestellt werden.
Kurz gesagt: die strukturellen Voraussetzungen, die Schulen benötigen, um sich inklusiv entwickeln zu können, sind noch nicht oder noch nicht in ausreichendem Umfang geschaffen worden.
Diese strukturellen Defizite behindern den Prozess der Inklusion, wie Berichte aus der Praxis zeigen. So berichtet der Weser-Kurier in seinem Artikel "Inklusion an Bremer Schulen Lehrer fühlen sich überfordert" (WK vom 20.02.2012) davon, dass die derzeitige Lage von Frust und Überlastung geprägt ist und dass sich viele Lehrer einig seien, um das Konzept der Inklusion angemessen umzusetzen, reiche das Personal bei weitem nicht aus.
„Mehr als bisher benötigen wir eine Bildungspolitik, die den Prozess der Inklusion aktiv unterstützt. Dieser muss natürlich, was die sachliche und personelle Ausstattung betrifft, ressourcenmäßig abgesichert werden. Ob Inklusion gelingt, hängt aber nicht allein vom Geld ab. Auch Barrieren in den Köpfen spielen eine Rolle ebenso wie die Frage, ob die für den gemeinsamen Unterricht vorgesehenen Strukturen überhaupt schon geschaffen worden sind und funktionieren.
In den Berichten, in denen von Frust und Überforderung die Rede ist, werden die ZuP häufig gar nicht erwähnt, als kämen sie in der Praxis überhaupt noch nicht vor. Dies muss sich ändern, die ZuP müssen in die Lage versetzt werden, den Prozess der Inklusion an den Schulen aktiv zu gestalten", erklärt Bremens Landesbehindertenbeauftragter Dr. Joachim Steinbrück.
"Hierfür benötigen sie: Qualitätsstandards, die sich an den Vorgaben des Art. 24 BRK orientieren und auch Aussagen über die sächliche und personelle Ausstattung enthalten, eine Verordnung über unterstützende Pädagogik, die ebenfalls dem Leitbild der Inklusion entspricht, und eine Richtlinie, die Klarheit und Transparenz bei der Ausstattung von Schulen mit Assistenzkräften schafft und insbesondere auch den Bedarfen von Schülerinnen und Schülern mit Autismus oder hohem medizinischen Unterstützungsbedarfen Rechnung trägt.
Werden diese Voraussetzungen nicht bald geschaffen, droht der Prozess der Inklusion zu scheitern und Bremen liefe Gefahr, gegen Art. 24 BRK zu verstoßen", so der Landesbehindertenbeauftragt abschließend.