Keine Frage, Schulassistenz ist eine tragende Säule für den Prozess der Entwicklung inklusiver Schulen, wie sie das Bremische Schulgesetz als Auftrag für alle Schulen im Land Bremen formuliert. Die Assistenzkräfte leisten einen wichtigen Beitrag für eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Schülerinnen und Schüler am Unterricht und gesamten Schulleben. Sie unterstützen behinderte Kinder und Jugendliche in Bremens Schulen auf vielfältige Weise, indem sie beispielsweise Schülerinnen und Schülern mit Diabetes medizinische Unterstützung gewähren, körperbehinderten Kindern und Jugendlichen "zur Hand gehen" oder Schülerinnen und Schülern mit Autismus helfen, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Wichtig ist dabei, dass sie eng mit den Lehrerinnen und Lehrern kooperieren, damit ihre Arbeit in das pädagogische Konzept der Schule und die Förderplanung für die einzelnen Schülerinnen und Schüler eingebettet ist.
Schulassistenz ist aber nicht per se eine gute Sache. So erinnere ich mich noch gut an die Schilderungen meines Freundes Holger, der vor einigen Jahren sein Studium mit seiner Arbeit als Schulassistent finanziert hat: "Ich habe immer das Gefühl, dass ich Anna von den anderen Schülern abschirme. Und die Lehrer nehmen gar nicht direkt Kontakt zu ihr, sondern über mich auf. Und oft habe ich den Eindruck, die Verantwortung für Anna liegt bei mir und nicht bei den Lehrern."
Eine Lehrerin, die in Niedersachsen im mobilen Dienst zum sonderpädagogischen Förderbedarf Sehen tätig ist, berichtete mir, dass die Mitschülerinnen und Mitschüler von N. die als blinde Jugendliche eine Gesamtschule besucht hat, eher Kontakt zu ihr aufgenommen und hilfsbereiter waren, wenn der Schulassistent nicht zugegen war. Deshalb ist es wichtig, meinte diese Lehrerin, dass wir den Umfang der Assistenz schrittweise reduzieren. Durch den Einsatz von Schulassistentinnen und Schulassistenten kann die Verbesonderung und Isolation behinderter Schülerinnen und Schüler im Klassenverband verstärkt werden.
Deshalb ist es besonders wichtig, dass ihre Arbeit in ein pädagogisches Gesamtkonzept und in die Förderplanung eingebunden ist. Nicht die einzelne Assistenzkraft, sondern die jeweilige Schule sowie die dort tätigen Lehrkräfte sind die Hauptverantwortlichen für das Gelingen des Inklusionsprozesses. Bremens Schulen haben seit 2009 den gesetzlichen Auftrag, sich zu inklusiven Schulen zu entwickeln. Um diesem Auftrag zu entsprechen, ist es notwendig, dass jede einzelne Schule einen Aktionsplan bzw. ein Konzept erarbeitet, aus dem sich die einzelnen Schritte der Entwicklung hin zu einer inklusiven Schule ergeben. Darüber hinaus ist auch konkret zu beschreiben, welche Rolle und Aufgabe Schulassistenz für eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Schülerinnen und Schüler wahrnehmen soll und wie die Assistenzkräfte mit den weiteren Akteuren an Schulen, insbesondere den Lehrkräften kooperieren.
Auch sind kurz- und mittelfristig Maßnahmen zur Fachkräftesicherung im Bereich der Schulassistenz erforderlich. Aus der Definition der Aufgaben von Schulassistenz ist ein Berufsbild für Schulassistentinnen und Schulassistenten zu entwickeln. Eine "Orientierungshilfe" könnten hierbei die Erfahrungen aus Südtirol bieten, wo Schulassistenzkräfte über eine 3-jährige Ausbildung verfügen.
Und wenn der Weser-Kurier wie am 08.06.2016 in seinem Artikel "Für Inklusionskinder fällt Schule öfter aus" berichtet, dass Kinder mit Behinderung oft nach Hause geschickt werden, wenn an den Schulen Personal für die Betreuung fehlt, zeigt dies deutlich, dass eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Schülerinnen und Schüler in Bremens Schulsystem noch nicht erreicht worden ist. Auch im Bereich der Schulassistenz ist durch eine ausreichende Anzahl von Vertretungskräften sicherzustellen, dass Schulen ihren Verpflichtungen sowie ihrer Verantwortung auch gegenüber ihren behinderten Schülerinnen und Schülern gerecht werden können.