Für Menschen mit Behinderung gehören Diskriminierungen immer noch zum Alltag: In Berlin wird ein Mann mit Rollstuhl aufgefordert, die Sauna am Wochenende nicht mehr aufzusuchen, weil dies den anderen Gästen nicht zuzumuten sei; das berichten die KOBINET-Nachrichten am 21. Januar. In seiner Pressemitteilung vom 19. Januar weist Hubert Hüppe, behindertenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, auf die Musterbadeordnung für Schwimmbäder hin, die vorsieht, dass Menschen öffentliche Bäder dann nicht allein aufsuchen dürfen, wenn sie in ihrem Schwerbehindertenausweis einen „B-Vermerk“ haben, der zur kostenlosen Mitnahme einer Begleitperson im öffentlichen Personenverkehr berechtigt.
Für Bremens Landesbehindertenbeauftragten Dr. Joachim Steinbrück ist dies eine typische Diskriminierung, die Menschen mit Behinderung immer wieder erfahren. Deshalb appelliert Steinbrück in Schreiben vom 06.02.2006 an den Landesvorsitzenden der CDU und Bundesminister Bernd Neumann sowie die Bundestagsabgeordneten Marie Luise Beck (Bündnis 90/Die Grünen), Uwe Beckmeyer und Volker Kröning (beide SPD), sich für ein umfassendes Benachteiligungsverbot für Menschen mit Behinderung einzusetzen.
Gegenwärtig wird im Deutschen Bundestag ein Antidiskriminierungsgesetz beraten. Denn aufgrund europarechtlicher Bestimmungen ist die Bundesrepublik dazu verpflichtet, ein Gesetz zu verabschieden, das einen zivilrechtlichen Schutz vor Diskriminierungen wegen der Rasse und der ethnischen Herkunft umfasst. Uneinig sind sich die Koalitionsparteien der Bundesregierung, ob die entsprechenden EU-Richtlinien nur „Eins zu Eins“ umgesetzt und ein Diskriminierungsschutz zwar bei den Merkmalen „Rasse“ und „ethnische Herkunft“, nicht aber bei „Behinderung“ gewährleistet werden soll.
Was die ganz alltägliche Diskriminierung bedeutet, hat Steinbrück kürzlich selbst wieder erfahren, als man ihm und seiner Frau die Teilnahme an einem Fastenkurs im Allgäu verweigerte. Der Kursleiter Endele des „Bachenhofs“ teilte den blinden Eheleuten mit, sein Versicherungsvertreter habe ihm von einer Teilnahme des Ehepaars abgeraten. Außerdem sei die Landschaft wegen des unwegsamen Geländes für blinde Menschen zu gefährlich. Dem gegenüber spricht der Reiseveranstalter „Neue Wege“ auf seiner Internetseite von „einer sanften Hügellandschaft“; alle Wanderungen seien so gewählt, dass auch weniger Geübte sie gut bewältigen könnten.
Auszug aus dem Appell des bremischen Landesbehindertenbeauftragten an bremische Politiker :
„Wenn in dem neuen Gesetz aber kein Schutz vor Diskriminierungen wegen einer Behinderung aufgenommen wird, könnte dies beispielsweise von Versicherungsunternehmen und Reiseveranstaltern als ausdrückliche Erlaubnis zur Benachteiligung von Menschen mit Behinderung verstanden werden. Denn es würde sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers handeln, der bei der Auslegung von Gesetzen immer große Bedeutung zukommt. Ein solches Gesetz könnte aber auch im Widerspruch zur Verfassung stehen: Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Wenn Menschen mit Behinderungen aber von einem zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz ausgenommen werden, so ist dies selbst eine Benachteiligung behinderter Menschen gegenüber dem Personenkreis, der in den Geltungsbereich des Antidiskriminierungsgesetzes einbezogen wird. Ob jedoch allein die Tatsache, dass die einschlägigen EU-Richtlinien bisher keinen zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderung verlangen, den Ausschluss des Merkmals „Behinderung“ aus dem Antidiskriminierungsgesetz verfassungsrechtlich zu rechtfertigen vermag, erscheint zweifelhaft. Deshalb ist es meines Erachtens auch aus Gründen der Rechtssicherheit geboten, Menschen mit Behinderung in den Personenkreis aufzunehmen, der durch das Antidiskriminierungsgesetz geschützt werden soll. Ansonsten besteht die Gefahr, dass dieses Gesetz selbst diskriminierende Wirkungen gegenüber Menschen mit Behinderung entfaltet.“
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