Mein Name ist Helmut Peter und ich lebe seit 1991 in Bremen. 1999 bekamen meine Lebenspartnerin und ich einen kleinwüchsigen Sohn, 2001 folgte die Geburt unserer "normal" großen Tochter.
Wir erlebten schon im Kindergarten, trotz der Aufgeschlossenheit der Erzieherinnen, dass es für unseren Sohn nicht ganz einfach werden würde. In der Grundschule kam es zu Übergriffen älterer Schüler, so dass der Schulassistent unseren Sohn auf dem Schulweg begleiten musste. Als Elternteil eines kleinwüchsigen Kindes habe ich die Schule mit anderen Augen sehen gelernt: Ich machte die Erfahrung, dass auch bei einigen Pädagoginnen die Einstellung gegenüber benachteiligten Kinder Defizite hat und dass man um adäquate Unterstützung kämpfen muss.
Aber wir habe auch positive Erfahrungen gemacht: Im Sport wurde mein Sohn auf der Oberschule am Leibnizplatz zu erstaunlichen Leistungen motiviert und hat sich für den Leistungskurs Sport im Abitur entschieden.
Eine große Hilfestellung war für uns die Beratung beim BKMF (Bundesverband kleinwüchsige Menschen und ihre Familien). Der BKMF ist eine bundesweit aufgestellte Selbsthilfeorganisation, 1988 gegründet von Eltern kleinwüchsiger Kinder, die mittlerweile auch viele erwachsene kleinwüchsige Mitglieder hat. Insgesamt zählt der BKMF über 3000 Mitglieder, der Verein und das "Deutsche Zentrum für Kleinwuchsfragen" haben ihren Bundessitz in der Leinestraße in der Bremer Neustadt. Der BKMF setzt sich für die Rechte und die Akzeptanz von Menschen mit Kleinwuchs ein und berät Betroffene, Angehörige und Professionelle zu allen Fragen rund um das Thema Kleinwuchs.
Seit 2000 bin ich mit meiner Familie Mitglied im BKMF, 2010 wurde ich im Verein für den Bereich Inklusion nominiert. Trotz der Ratifizierung der UN-Behindertenkonvention kommen immer wieder Klagen von Eltern kleinwüchsiger Kinder aus anderen Bundesländern über Benachteiligungen auf Schulebene.
Doch nicht nur Pädagogen haben Nachholbedarf bei der Inklusion, auch in den Behörden ist die UN-Konvention noch nicht angekommen: Wir haben für unseren Sohn bei der Bildungsbehörde einen Antrag auf Nachteilsausgleich im Fach Sport gestellt. Dem Antrag wurde nicht stattgegeben. Über den Widerspruch, den der BKMF eingelegt hat und der von Herrn Dr. Steinbrück (Landesbehindertenbeauftragter) und Fr. Rosenköter (SPD) unterstützt wird, ist letztlich noch keine Entscheidung gefallen. Von Lehrerseite wurde meinem Sohn empfohlen, auch ohne Nachteilsausgleich den LK Sport beizubehalten.
Aufgrund meiner Erfahrungen in Schule habe ich mich als Schulelternsprecher und im ZEB (Zentralelternbeirat) aktiv für die Inklusion eingesetzt. Bei den Diskussionen über die Umsetzung der Inklusion wurde von betroffenen Eltern aber auch die Befürchtung geäußert, dass die Schulen nicht im erforderlichen Maße auf die Anforderungen an eine "Schule für alle" ausgestattet und vorbereitet sind. Die schlechte Ausstattung der Schulen ist ja auch immer wieder Gegenstand der Diskussion im Beirat. Ich hoffe, im Beirat die Aktivitäten zum Abbau von Behinderungen im Alltag aus dem Blickwinkel meines mittlerweile schon 18 Jahre alten Sohnes unterstützen zu können.
Anfang August 2017 fanden auf dem Gelände der University of Gueiph in Kanada die siebten World Dwarf Games (WDG) statt. Erstmalig nahm dieses Jahr auch ein deutsches Team teil.
Die Sportler stehen im Kreis, Köpfe zusammengesteckt, die Arme liegen auf den Schultern des Nebenmannes. Teambesprechung vor dem Spiel. "Eins, zwei, drei -GERMANY" schallt es über den Platz. Eine Woche lang maßen sich 16 kleinwüchsige Athleten für Deutschland bei den World Dwarf Garnes mit Kleinwüchsigen aus 18 weiteren Ländern. Dass so viele Länder teilnahmen und fast 500 Athleten aus aller Welt, war Premiere bei den World Dwarf Games. Seit 1993 finden diese alle vier Jahre statt. Sie bieten Menschen mit Kleinwuchs die Möglichkeit, sich auf gleichem Level in verschiedenen Sportarten zu messen - von Fußball über Leichtathletik hin zu Bogenschießen und Basketball.
Eine weitere Premiere: Erstmals nahm auch ein deutsches Team an den Spielen teil. Vor zwei Jahren wurden Märib Aldoais, Merlin Förg und Yannic Jud auf die World Dwarf Games aufmerksam. "Wir fanden, dass bei einer solchen internationalen Veranstaltung auch eine deutsche Delegation vertreten sein sollte", so Aldoais. Mit ihrem Wunsch wandten sich Aldoais, Förg und Jud an den BKMF. Mithilfe von Marco Frerichs vom BKMF wurden alle Mitglieder des Verbandes angeschrieben, die World Dwarf Garnes vorgestellt und das Interesse an einer Teilnahme abgefragt. An den Osterfeiertagen trafen sich die Sportler im Trainingslager in Eberswalde, das Andreas Kirsch, ein engagierter Vater, kurzfristig und in Eigenregie organisiert hatte.
Das Training hat sich gelohnt - insgesamt 25 Medaillen hat das deutsche Team bekommen. Auch im Lieblingssport der Deutschen: Beim Fußballfinale gegen die USA holten die Jungs mit 3:0 Gold für Deutschland. Außerdem gab es Gold im Schwimmen, Tischtennis sowie beim 1500 Meter-, 200 Meter-, 100 Meter-Staffellauf. Auch drei Mal Silber (Badminton, Armbrustschießen und 1500 Meterlauf) nahmen die Athleten neben Bronzemedaillen in Volleyball, Tischtennis und Bogenschießen mit nach Hause.
Abhängig von Sitzhöhe, Armspannweite und Größe waren die Sportler in drei Klassifizierungen in den Einzelsportarten gegeneinander angetreten. Durch die Klassifizierungen soll den mehr als 600 Formen und individuellen Ausprägungen von Kleinwüchsigkeit gerecht und der Wettkampf fair gestaltet werden. Der organisatorische Aufwand der Spiele ist dementsprechend groß.
Doch er lohnt sich! Selten gibt es für Kleinwüchsige aus Deutschland sonst die Gelegenheit, auf gleichem Level gegen andere Sportler anzutreten. Der gemeinsame Sport, das Essen, die Feiern - all das nutzten die Kleinwüchsigen um Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. "Die Niederländer haben uns zu einem Freundschaftsspiel bei ihren nationalen Meisterschaften eingeladen", erzählt Aldoais. Und so trafen sich die deutschen Athleten schon Ende September wieder in Utrecht, um gemeinsam Fußball zu spielen.
Wo die nächsten World Dwarf Games stattfinden, steht noch nicht fest. Jedoch wurden die Verantwortlichen des BKMF von der IDAF (International Dwarf Athlete Federation) gefragt, ob Deutschland nicht das nächste Gastgeberland sein könnten. "Natürlich werden wir versuchen, dies zu bewerkstelligen, aber auch wenn wir nicht das Gastgeberland sein sollten, werden wir auf jeden Fall wieder dabei sein. Ein erster Kontakt zur Sporthochschule Köln wurde schon geknüpft. Schließlich müssen wir unseren Titel im Fußball verteidigen", setzt Aldoais die Ziele für die World Dwarf Games 2021 fest.