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Der Bremer Appell
von den Behinderten-Beauftragten
in Leichter Sprache

Infos über diesen Text

Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen mit Blindenstock oder im Rollstuhl

2 Mal im Jahr gibt es ein wichtiges Treffen
von den deutschen Behinderten-Beauftragten.
Bei dem Treffen sind:

  • die 16 Behinderten-Beauftragten von
    den 16 Bundesländern
  • der Behinderten-Beauftragte von der Bundesrepublik Deutschland.

Das Treffen heißt:
Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern
für die Belange von Menschen mit Behinderungen.

Die Behinderten-Beauftragten schreiben bei jedem Treffen einen Text.
In dem Text stehen Forderungen an die Politik:
Was muss sich in der Politik ändern,
damit es Menschen mit Behinderung besser haben?

Ein Mensch mit verkürztem Arm zeigt auf eine Rampe und steht am Rednerpult

Im November 2024 ist das Treffen in Bremen.
Der Text aus Bremen heißt: Bremer Appell.
Ein Appell ist ein anderes Wort für Aufruf.

Wollen Sie sofort die Forderungen lesen?
Dann lesen Sie hier weiter.

Wollen Sie mehr Infos, wie es zu den Forderungen gekommen ist?
Dann lesen Sie hier weiter:

Mehr Infos, wie es zu den Forderungen gekommen ist

Die Forderungen im November 2024 haben viel mit der Vergangenheit
von Deutschland zu tun.
Wir erklären erst 2 wichtige Wörter: UN-BRK und das Grundgesetz.
Und dann erklären wir eine wichtige Änderung im Grundgesetz.

UN-BRK

Vorderansicht der UN-BRK mit UN-Logo, Siegel und Unterschrift

Die UN-BRK ist ein wichtiger Vertrag für viele Länder in der Welt.
Darin steht:
Alle Menschen haben die gleichen Rechte,
auch Menschen mit Behinderungen.

Keiner darf Menschen schlechter behandeln,
weil sie eine Behinderung haben.

Und eine wichtige Idee in der UN-BRK ist:
Die Behinderung ist nicht das Problem.
Das Problem sind die vielen Barrieren überall.
Sind diese Barrieren weg?
Dann können Menschen mit Behinderung überall dabei sein.

Deutschland hat die UN-BRK unterschrieben.
Damit hat Deutschland gezeigt:

  • Menschen mit Behinderungen sind uns wichtig.
  • Menschen mit Behinderungen sollen überall mitmachen und dabei sein.
  • Sie haben die gleichen Rechte wie alle Menschen.

BRK ist kurz für: Behinderten-Rechts-Konvention.
UN ist kurz für den englischen Namen von den Vereinten Nationen.
Die Vereinten Nationen sind eine sehr große Arbeitsgruppe
von etwa 190 Ländern auf der ganzen Welt.
Die UN prüft alle paar Jahre:

  • Halten sich die Länder an die Regeln in der UN-BRK?
  • Tun die Länder genug für die Rechte von Menschen mit Behinderungen?

Grundgesetz

Ein Gesetzbuch

Das Grundgesetz ist das wichtigste Gesetz in Deutschland.
Manche sagen zum Grundgesetz auch Verfassung.
Im Grundgesetz stehen die Grundrechte von den Menschen in Deutschland.
Das sind sehr wichtige Rechte, damit alle gut leben können.
Zum Beispiel:
Alle Menschen sind gleich wichtig.
Alle Menschen dürfen ihre Meinung sagen.

Das Grundgesetz gibt es seit dem Jahr 1949.
Ab und zu werden neue wichtige Regeln in das Grundgesetz geschrieben.
Aber das passiert nur selten.

Die UN-BRK und das Grundgesetz sind sehr wichtig
für die Arbeit von den Behinderten-Beauftragten.

Sie können so der Politik und den Ämtern immer wieder sagen:
Menschen mit Behinderungen haben die gleichen Rechte wie alle.
Das steht so im Gesetz.
Und an die Gesetze müssen sich alle halten.

Eine schlimme Vergangenheit und
Regeln für eine bessere Zukunft

In Deutschland sind im 2. Weltkrieg viele sehr schlimme Sachen passiert.
Die Nazis haben viele Menschen sehr schlecht behandelt
und viele Menschen getötet.
Zum Beispiel Juden, schwule Menschen und Menschen mit Behinderungen.

Deutschland hat nach dem 2. Weltkrieg versucht, sich zu ändern.
Die Nazis wurden bestraft.
Es gab eine neue Regierung.
Und die neue Regierung hat auch neue Gesetze gemacht.
Zum Beispiel das Grundgesetz.

Die Umrisse einer Deutschlandkarte, gefüllt mit unterschiedlichen Gesichtern

Das Grundgesetz gibt es seit dem Jahr 1949.
Und seit dem Jahr 1949 steht im Grundgesetz:
Alle Menschen müssen gleich behandelt werden.
Es muss egal sein,

  • welches Geschlecht sie haben.
  • ob sie arm oder reich sind.
  • wie sie aussehen.
  • welche Sprache sie sprechen.
  • aus welchem Land sie kommen.
  • ob sie an Gott oder an etwas Anderes glauben.

Niemand darf besser oder schlechter behandelt werden.

Das sind wichtige Regeln.
Denn es soll nie wieder so etwas wie bei den Nazis passieren.

Die Behinderten-Beauftragten sagen:
Ja, das sind wichtige Regeln.
Aber eine wichtige Regel gab es lange Zeit nicht:
Für die Rechte von Menschen mit Behinderungen gab es keine Regeln.

Denn in Deutschland war es lange Zeit so:
Es war normal, Menschen mit Behinderungen schlechter zu behandeln.
Keiner hat daran gedacht, das zu ändern.

Und darum hat auch keiner daran gedacht,
etwas dazu ins Grundgesetz zu schreiben.

Ein Mann im Rollstuhl und viele andere Menschen hinter ihm protestieren mit Plakaten und Megaphonen

Das hat sich erst später durch mutige Menschen
in der Behinderten-Bewegung geändert.
Sie haben dafür gekämpft,
dass eine neue wichtige Regel in das Grundgesetz kommt.

Seit dem Jahr 1994 steht nun im Grundgesetz:
Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Dieser Satz hat 2 Bedeutungen:

  1. Behinderte Menschen dürfen nicht schlechter behandelt werden.
  2. Behinderte Menschen dürfen besser behandelt werden.
    Denn eine bessere Behandlung von behinderten Menschen bedeutet meist nur:
    Sie werden endlich genauso behandelt wie Menschen ohne Behinderungen.

Durch diesen Satz im Grundgesetz hat sich viel geändert.
Menschen mit Behinderungen können jetzt endlich sagen:

  • Ich habe die gleichen Rechte wie alle.
  • Ich bin nicht mehr abhängig davon, was andere für mich entscheiden.

Und der Staat hat jetzt die Pflicht,
etwas für Menschen mit Behinderungen zu tun.
Denn an Gesetze müssen sich alle halten.

Forderungen für eine inklusive Gesellschaft

Die Beauftragten sagen:
Die Rechte von Menschen mit Behinderungen stehen im Gesetz.
Aber es gibt immer noch Probleme:
Es gibt immer noch viele Barrieren für Menschen mit Behinderungen.
Und viele Menschen denken immer noch schlecht über
Menschen mit Behinderungen.
Viele Menschen haben Vorurteile.
Das muss sich ändern.

Die Regeln nur im Gesetz zu haben ist zu wenig.
Alle müssen auch wissen, dass es diese Gesetze gibt.
Alle müssen sich auch an die Gesetze halten.
Es muss passende Angebote zu den Gesetzen geben.
Es darf keine Barrieren und Vorurteile mehr geben.
Erst dann können Menschen mit Behinderungen wirklich überall dabei sein und mitmachen.
Unsere Ideen für diese Ziele stehen im Bremer Appell.

Bremer Appell

Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden:
30 Jahre nach diesem wichtigen Satz im Grundgesetz
muss sich endlich auch die Gesellschaft ändern.

Darum haben die Beauftragten 6 Forderungen:

1. Mehr für Inklusion tun

Die UN hat im Jahr 2023 festgestellt:
Deutschland tut zu wenig für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Es gibt immer noch zu viele Barrieren
und zu wenig Inklusion.
Deutschland verstößt damit gegen die UN-BRK.

Das muss sich ändern.
Und darum müssen alle mehr für Inklusion tun:

  • die Politik
  • die Ämter
  • die Firmen
  • und auch alle Menschen in Deutschland.

Wir müssen alle Inklusion endlich ernst nehmen.
Wir wollen endlich eine inklusive Gesellschaft.

Und das heißt auch:
Der Staat muss mehr Geld für Inklusion ausgeben.
Zum Beispiel für mehr Hilfen für Kitas und Schulen.
Dann können auch Kinder mit Behinderungen besser lernen.

Mehr Infos zur UN-BRK

Geldscheine und drei Menschen, die an einem Tisch sitzen und schreiben.

2. Bessere Gesetze für Menschen mit Behinderungen

Es gibt schon Gesetze und Regeln
für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Das Problem ist:
Einige Gesetze gelten nur für Ämter.
Einige Gesetze gelten nur für private Firmen.
Die Gesetze passen manchmal nicht zusammen.
Oder es ist manchmal nicht klar:
Wer muss sich an welches Gesetz halten?
Darum haben manche Ämter oder Firmen Ausreden,
warum sie etwas nicht machen.

Das muss sich ändern.
Die Gesetze müssen sich besser an die Regeln in der UN-BRK halten.
Es muss also in Deutschland bessere Gesetze geben
und die Gesetze müssen besser zusammen passen.
Das Ziel muss sein:
Alle Ämter und alle Firmen müssen gleich viel
für Menschen mit Behinderungen tun.
Es muss überall Barriere-Freiheit geben.
Es darf keine Ausreden mehr geben.

Ein Mann am Schreibtisch rauft sich die Haare. Auf dem Tisch liegen viele Papiere und Gesetze. Daneben eine dunkelhäutige Frau im Rollstuhl und ein weißer Mann mit einem Gesetzessymbol zwischen ihnen. Sie sind vor dem Gesetz gleich.

3. Mehr Infos über die Rechte und
mehr Möglichkeiten, die Rechte durchzusetzen

Leider wissen nicht alle Menschen mit Behinderungen:

  • Wir haben die gleichen Rechte wie alle.
  • Wir können bei Gericht klagen, wenn uns jemand schlechter behandelt.

Oder die Menschen mit Behinderungen kennen ihre Rechte.
Aber sie haben zu wenig Geld für eine Klage.
Oder sie können das nicht alleine tun.

Das muss sich ändern.
Menschen mit Behinderungen brauchen mehr Infos über ihre Rechte.
Sie müssen wissen, wer ihnen helfen kann.
Das kann zum Beispiel ein Verein sein,
der für mehrere Menschen zusammen klagt.
Und für diese Vereine muss es einfacher werden zu klagen.

Soll ein Gericht prüfen,
ob ein Mensch mit Behinderung schlechter behandelt wurde?
Das darf kein Geld kosten.
Und der Staat soll Geld als Hilfe geben,
wenn Anwälte bezahlt werden müssen.

Ein Mann und eine Frau freuen sich. Daneben eine Richterin am Tisch in Robe mit Hammer.

4. Mehr inklusive Angebote und
weniger extra Bereiche für Menschen mit Behinderungen

In Deutschland ist es noch oft so:
Kinder mit Behinderungen gehen in eine extra Schule.
Sie lernen also nicht zusammen mit Kindern ohne Behinderungen.
Und Erwachsene mit Behinderungen arbeiten in
einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen.
Sie bekommen weniger Lohn als Menschen ohne Behinderungen.

Denn zu viele Menschen denken leider immer noch:

  • Kinder mit Behinderungen können sowieso nicht richtig lernen.
    Und sie stören die Kinder ohne Behinderungen.
  • Die Erwachsenen mit Behinderungen leisten schlechte Arbeit.

Und deswegen gibt es die extra Schulen, Arbeits-Plätze oder Wohnheime.
Aber das ist schlecht.
Und darum gibt es noch mehr Nachteile für Menschen mit Behinderungen:

  • Sie bekommen keine gute Ausbildung.
  • Sie bekommen keine gute Arbeit.
  • Sie verdienen sehr wenig Geld.
  • Sie können nicht so leben, wie sie es wollen.

Das muss sich ändern.
Menschen mit und ohne Behinderungen sollen die gleichen Möglichkeiten haben.
Es darf keine Nachteile mehr geben für Menschen mit Behinderungen.
Wir brauchen viel mehr inklusive Angebote
und weniger extra Bereiche.

Bild einer Werkstatt mit vielen beschäftigten Mitarbeitenden. Das Bild ist durchgestrichen. Daneben eine Gruppe von Menschen mit und ohne Behinderungen im Gespräch.

5. Mehr und bessere Wohn-Angebote

Eine Hand zeigt auf drei Häuser

Viele Menschen mit Behinderungen wohnen in
extra Wohn-Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen.
Sie bekommen dort auch Pflege und Betreuung.
Und sie wohnen dort mit vielen anderen zusammen.
Aber vielleicht wollen sie lieber anders wohnen.
Zum Beispiel alleine oder in einer WG.
Das Problem ist:
Es gibt zu wenig Wohn-Angebote,
vor allem für Menschen mit schweren Behinderungen.
Oder die Angebote sind sehr weit weg.
Das muss sich ändern.

Die Behinderten-Beauftragten wissen:
Man kann nicht sofort alle Wohn-Einrichtungen schließen.
Man muss zum Beispiel erst neue Wohnungen bauen.
Oder man muss die Pflege und Betreuung neu planen.
Darum muss man gute Pläne machen.
Das Ziel muss immer sein:
Menschen mit Behinderungen können selbstbestimmt wohnen.

6. Mehr Therapie-Angebote in der Nähe

Für Menschen mit seelischen Behinderungen gibt es zu wenig

  • Therapie-Angebote in ihrer Nähe.
  • schnelle Hilfen, wenn es auf einmal ein großes Problem gibt.
  • Hilfen in der Nacht oder am Wochenende.

Die Menschen können nicht selbst bestimmen,
welche Hilfe sie haben wollen.
Zum Beispiel:
Man muss für eine Therapie in eine Klinik umziehen.
Es gibt keine Therapie an dem Ort, wo man wohnt.
Und die Krankenkassen bezahlen nur bestimmte Hilfen.
Man achtet zu wenig darauf:
Welche Hilfe brauchte diese Person genau jetzt?

Zwei Menschen sitzen auf Sesseln. Einer hält ein Stück Papier in der Hand der andere sieht traurig aus.

Und ein Problem ist auch:
Es gibt in den Therapie-Einrichtungen noch zu viel Zwang.
Zum Beispiel:
Die Menschen dürfen ihr Zimmer nicht verlassen.
Die Menschen werden an ihr Bett gefesselt.

Das muss sich alles ändern.
Es muss mehr und bessere Hilfen geben
für Menschen mit seelischen Behinderungen.
Die Gesundheits-Ministerien von den Bundesländern müssen
die Hilfen besser planen.


Das waren die 6 Forderungen an die Politik.

Aber es gab nun einen großen Streit in der Bundesregierung.
In der Bundesregierung waren die Parteien SPD, Grüne und FDP.
Die Partei FDP ist seit wenigen Tagen nicht mehr dabei.
Für SPD und Grüne ist es nun sehr schwer, neue Gesetze zu machen.
Und viele Entscheidungen dauern jetzt länger.
Darum gibt es im Februar 2025 Neuwahlen.
Danach gibt es eine neue Bundesregierung.

Forderung an die neue Bundesregierung

Die Behinderten-Beauftragten. fordern:
Deutschland braucht schnell bessere Gesetze für mehr Inklusion.
SPD, Grüne und FDP hatten dafür schon Pläne.
Aber sie schaffen das jetzt nicht mehr.

Darum muss sich die neue Bundesregierung schnell darum kümmern.
Für die neue Bundesregierung muss Inklusion sehr wichtig sein.

Mitglieder der Bundesregierung mit Deutschlandfahne, Europafahne und Bundesadler

Die Behinderten-Beauftragten haben den Text am 15. November 2024 in Bremen geschrieben.

Text in Leichter Sprache:
Büro für Leichte Sprache, Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen e.V., 2024
Bilder: © Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen e.V., Illustrator Stefan Albers