Sprecherin:
Passend zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus
gastiert im Tabakquartier in Bremen ein Theaterstück,
das es thematisch in sich hat.
T4 Ophelias Garten heißt es und beschäftigt sich mit den Morden
der Nationalsozialisten an Menschen mit Behinderungen
und psychischen Erkrankungen.
Mehr als 70.000 dieser Menschen sind bis 1941 systematisch getötet worden.
Dreimal wird das Stück am Wochenende aufgeführt
und es ist komplett ausverkauft.
Was daran so besonders ist und warum das Stück gerade jetzt
so viel Aufmerksamkeit bekommt,
das wird uns jetzt unsere Reporterin Lisa-Maria Röhrling verraten.
Hallo.
Lisa-Maria Röhrling:
Hallo.
Sprecherin:
Ja, Lisa, vielleicht mal vorweg erst.
Wer ist denn überhaupt Ophelia?
Lisa-Maria Röhrling:
Ja, also Ophelia ist eine junge Frau, die in der Nazi-Zeit aufwächst.
Ihr Vater ist auch glühender Nazi und Ophelia hat Trisomie 21
und ist deshalb natürlich in Lebensgefahr,
weil die Nazis Menschen wie sie im Zuge der T4-Aktion,
du hast es ja schon angesprochen, töten wollen.
Ophelia versteckt sich deshalb in ihrem Garten.
Das ist so ein Ort der Ruhe für sie
und dabei wird sie von der Krankenschwester Gertrud
unterstützt und auch beschützt.
Denn diese Ärzte und Bürokraten, die da über Leben und Tod entscheiden,
haben es natürlich auch auf sie abgesehen.
Diese Ärzte und Bürokraten hatten auch ihren Sitz
in der Tiergartenstraße 4 in Berlin.
Daher kommt diese Abkürzung T4.
Also von dort wurden diese Morde geplant
und natürlich wird diese Lage für Ophelia immer bedrohlicher.
Sprecherin:
Diese T4-Aktion ist ja erstmal thematisch nichts Ungewöhnliches
zu einem solchen Gedenktag.
Aber was macht die Inszenierung so besonders?
Lisa-Maria Röhrling:
Also, dass die Hauptrolle tatsächlich von einer Schauspielerin gespielt wird,
die Trisomie 21 hat.
Das ist die Bremerin Nele Buchholz.
Man kennt sie zum Beispiel aus der ARD-Serie Eldorado KDW.
Sie war im vergangenen Jahr schon bei der deutschen Uraufführung des Stücks dabei
und hat dort die Hauptrolle gespielt.
Und jetzt ist sie eben auch bei dieser Wiederaufnahme in Bremen dabei.
Bei dem Stück sind nur zwei Schauspielerinnen und ein Musiker auf der Bühne.
Es wird sehr viel mit abstrakten Elementen,
wie zum Beispiel Videoeinspielungen oder einem dünnen Vorhang gearbeitet,
der dem Ganzen fast so ein träumerisches, verschwommenes Gesamtbild gibt.
Und Nele Buchholz selber sagt, dass das ein sehr hartes
und natürlich auch sehr persönliches Thema ist.
Vor allem, weil Ophelia ja wirklich mit vielen Ängsten zu kämpfen hat.
Nele Buchholz:
Die Rolle Ophelia hat viele Gefühle.
Aber die Ophelia hat auch richtig Angst, dass Ophelia in die Anstalt kommt
Lisa-Maria Röhrling:
Ja, der Regisseur David Stöhr hat sehr deutlich gesagt,
dass diese Besetzung für ihn auch eine besondere Bedeutung hat.
Er will in seiner Inszenierung auch der Frage nachgehen,
wie diese Verbrechen der Nazis auf der Bühne von einer Person dargestellt werden,
die heute direkt von dieser mörderischen Ideologie betroffen wäre.
Sprecherin:
Dass diese Inszenierung jetzt in Bremen ist,
dafür hat sich unter anderem der Landesbehindertenbeauftragte besonders eingesetzt.
Er sagt, dass die Verbrechen der Nazis an Behinderten
mehr in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt werden müssen.
Lisa-Maria Röhrling:
Ja genau, also für ihn ist es wichtig, dass an diesem Gedenktag darauf hingewiesen wird,
dass behinderte Menschen im Nationalsozialismus systematisch verfolgt wurden.
Und gerade in diesen Tagen, nach den Enthüllungen über dieses Treffen von Rechtsextremen,
die da ihre grausamen Fantasien ausgedrückt haben
über Menschen mit Migrationshintergrund, Homosexuelle und eben auch Menschen mit Behinderung,
da sei das Thema sehr wichtig.
Das sagt der Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein.
Arne Frankenstein:
Und besonders kalt den Rücken läuft es mir runter,
wenn ich Aussagen des rechtsextremen AfD-Politikers Höcke höre,
der völlig unverblümt davon spricht, nach einer möglichen Machtübernahme
Volksteile zu verlieren, die zu schwach sind.
Man kann das nicht anders verstehen, als die Ankündigung einer Politik,
die das Leben behinderter Menschen aufs Spiel setzt.
Lisa-Maria Röhrling:
Ja, deswegen sieht er diese Theaterabende auch als wichtigen Ort an,
um über diese Gefahren zu sprechen,
sich darüber bewusst zu werden und eben auch über die T4-Aktion aufzuklären.
Deswegen gibt es auch im Anschluss an einige der Vorstellungen Diskussionen
über die Erinnerungskultur zu diesen Morden
und eben auch darüber, was das für die aktuelle Debatte bedeutet.
Sprecherin:
Okay, dann erstmal danke bis hierher, Lisa Maria Röhling.
Also das Stück Ophelias Garten wird am Wochenende dreimal im Tabakquartier aufgeführt
und behandelt die Morde der Nazis an Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen.
Vielen Dank, dass du uns das alles so gut erklärt hast.
Lisa-Maria Röhrling:
Sehr gerne.
Ophelia:
Ich sehe, ich sehe, was du nicht siehst.
Sprecherin:
Ophelia, ein Mädchen, das seinen Blumengarten und Schminke liebt.
Sie ist geboren in der Zeit des Nationalsozialismus
und da gilt ihre Existenz als nicht lebenswert.
Denn Ophelia hat das Down-Syndrom.
Die Nazis entscheiden nach ideologischen Maßstäben,
ökonomischer Brauchbarkeit, über Leben und Tod.
Ophelia:
Alles ist kaputt.
Sprecherin:
In dem Drama Ophelias Garten geht es um die nationalsozialistische Euthanasie, T4.
So hieß das Mordprogramm, in dem tausende Patientinnen und Patienten
aus medizinischen und karitativen Einrichtungen im gesamten Deutschen Reich erfasst
und in sechs dafür eingerichteten Tötungsanstalten vergast wurden.
Ophelia:
Das nicht, das nicht, das ist Zyklon B.
Sprecherin:
T4, Ophelias Garten, ein eindringliches Theaterstück, präsentiert von Bremen 2.
Mit anschließendem Gespräch mit der Darstellerin Nele Buchholz.
Vom 26. bis 28. Januar jeweils um 19 Uhr im Zentrum für Kunst in Bremen.
Gertrud:
Ich habe Ophelia gerettet.