Anlässlich des Welttags für die Rechte behinderter Menschen führte der Arbeitskreis Bremer Protest am 28. November 2017 das 23. Bremer Behindertenparlament durch. Rund 250 Abgeordnete und Gäste folgten der Einladung. Präsident des 23. Behindertenparlaments war Uwe Lange, scheidender Werkstattrat der Werkstatt Bremen. Unterstützt wurde er von Martina Dammaschke (Elbe-Weser-Werkstätten) und Florian Grams.
23. Bremer Behindertenparlament (Teil 1) from Bremische Bürgerschaft on Vimeo.
23. Bremer Behindertenparlament (Teil 2) from Bremische Bürgerschaft on Vimeo.
Der Radiosender bremenzwei führte am Tag des Behindertenparlaments ein Liveinterview mit Joachim Steinbrück. Das Interview dauert vier Minuten und wurde am 28. November live gesendet.
AG: Schönen Morgen auf Bremen 2 und es sind nicht die üblichen Verdächtigen, die heute im Plenarsaal der Bremischen Bürgerschaft zusammenkommen und da tagen. Einmal im Jahr trifft sich nämlich das sogenannte Bremer Behindertenparlament. Das sind mehr als 100 behinderte Frauen und Männer, die heute zum 23. mal da zusammenkommen.
Und um welche Fragen ist dabei geht, darüber spreche ich jetzt mit dem Behindertenbeauftragten des Landes Bremen. Doktor Joachim Steinbrück ist zu Gast bei uns.
Schönen guten Morgen.
JS: Guten Morgen Frau Götz.
AG: Ist dieses Behindertenparlament eigentlich etwas ganz besonderes in Bremen oder gibt es das auch in anderen Bundesländern?
JS: Also es gibt Veranstaltungen, die sozusagen nachgemacht sind. Der Bundestag lädt auch oft Menschen mit Behinderung ein, so alle zwei drei Jahre. Das kommt aber ursprünglich hier aus Bremen und besteht ja schon seit 23 Jahren.
AG: Wer genau trifft sich da heute?
JS: Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen, zum Teil organisiert in Verbänden zum Teil auch nicht. Also psychisch beeinträchtigte Menschen, Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, Rollstuhlfahrer, Blinde, Sehbehinderte, die ganze Palette.
AG: Und die Themen werden wie festgelegt? Weil es gibt ja wahrscheinlich eine Masse von Themen und man sich auf irgendwas einigen damit man auch alle Themen bearbeiten kann an so einem Tag?
JS: Der Organisator dieses Behindertenparlaments ist der Arbeitskreis Protest gegen Diskriminierung behinderter Menschen. Dort sind viele, die sich treffen und die legen das Hauptthema fest.
Dieses Jahr ja gesundheitliche Versorgung und dann können die verschiedenen Gruppierungen, Interessengruppen, Verbände auch noch Anträge einbringen, die dort dann diskutiert und auch zur Abstimmung gestellt werden.
AG: Sie haben gerade gesagt Gesundheit ist Gesundheitsvorsorge und -versorgung ist ein großes Thema in diesem Jahr. Was genau wünschen sie sich denn, woran hapert es?
JS: Also es hapert einmal nach wie vor an barrierefreien Strukturen bei Arztpraxen und in Krankenhäusern. Das heißt, dass auch Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen da hinkommen können. Dann gibt es Barrieren in den Köpfen, das heißt gerade Menschen mit geistiger Beeinträchtigung haben oft Kommunikationsschwierigkeiten, weil mit ihnen gar nicht gesprochen wird. Weil auch Ärzt:innen und andere sich nicht in Leichter Sprache ausdrücken können.
Es gibt Barrieren in der Apparatur, das heißt zum Beispiel höhenverstellbare Liegen, so dass auch Menschen mit Rollstuhl die Liege überhaupt - in Anführungszeichen - erklimmen können und es gibt manchmal auch Unwissenheit über die Kombination von Krankheiten.
Dass also zum Beispiel bestimmte Behinderungen auch dazu führen, dass die Schmerzempfindlichkeit eine andere ist wie bei normalen Menschen. Man also zum Teil erst viel später Schmerzen bekommt. Das kann schon bei einer einfachen Blinddarmentzündung verheerende Folgen haben, wenn eben kein Schmerz auftritt, wegen der Behinderung, aber der Blinddarm kurz vor dem Durchbruch steht.
AG: Nun ist es so, dass sie im Behindertenparlamenten nicht nur debattieren oder feststellen, wo überall Mangel ist, sondern sie fassen auch Beschlüsse. Was passiert dann mit diesen Beschlüssen?
JS: Die Beschlüsse werden dann weitergeleitet, weil sie sich überwiegend an den Senat richten, eben an die verschiedenen Senatsressorts. Dort werden sie inzwischen auch - das ist so seit vielleicht zehn fünfzehn Jahren der Fall - beraten beantwortet und dann auch in den Fachdeportationen diskutiert.
AG: Sie haben schon den Eindruck, wenn ich das richtig verstehe, dass sie in den 23 Jahren zumindest in kleinen Schritt gemacht haben und da ein bisschen Bewegung drin ist?
JS: Ja auf jeden Fall! Das Behindertenparlament wird beachtet. Die Beschlüsse werden diskutiert und zum Teil eben dann auch umgesetzt. Nicht alles, muss man offen sagen, aber doch zum Teil.
AG: Zum 23. mal tagt heute das Bremer Behindertenparlament. Über die Ziele dieses Treffens habe ich mit dem Behindertenbeauftragten des Landes Bremen, Dr. Steinbrück, gesprochen. Herzlichen Dank, dass sie bei uns waren.
JS: Gerne.