Wichtige Stationen meines Lebens. In den letzten 6 Jahren habe ich das Projekt MitArbeit geleitet, das Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen auf dem Weg (zurück) in Arbeit begleitet. Als Psychologin arbeite ich seit mehr als 20 Jahren als Beraterin, zumeist in Kliniken und Altenhilfe. In den 90-ziger Jahren durfte ich Menschen mit einer Drogenerkrankung stationär begleiten und habe dort eine Tagesklinik aufgebaut.
Eine echte Behindertenrechtsaktivistin war ich in den 70-ziger Jahre. Mein jüngster Bruder wuchs als behindertes Kind mit Marfan Syndrom in unserer Familie auf. Er konnte zeitweise nicht laufen, schlecht sehen und verbrachte unendlich viel Zeit in Kliniken. Wir sind damit aufgewachsen, haben ihn auf die Schulter gesetzt und mitgeschleppt. Aber wir wussten früh, was er alles nicht machen durfte, zum Beispiel nicht in die Grundschule gehen sondern auf eine Schule für Lernbehinderung - obwohl er in keiner Weise lernbehindert war.
Damals plakatierten wir unsere Kleinstadt mit Bildern des Journalisten Ernst Klee: „Unser Musterkrüppelchen – dankbar, lieb, ein bißchen doof und leicht zu verwalten“. Wir besetzten mehrstufige Eingänge von Karstadt und befuhren die Einkaufsstraße mit dem Rolli, um wirkungsvoll in den Straßenbahnschienen hängen zu bleiben. Wir fuhren mit 4 Autos und ohne Geld in das bergige Elsass zum Zelten – mit dabei zwei Menschen mit Behinderungen, die sich im Liegend-Rollstuhl befanden – das war mutig und echt aktivistisch.
Wie bin ich zum Projekt MitArbeit gekommen und wie ist es entstanden? Heike Dietzmann hat damals im Verein für Innere Mission im Bereich "Psychische Beeinträchtigung" gearbeitet. Sie hat die Stimmen der Menschen aufgegriffen, die im allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten wollten – vielleicht nur wenige Stunden pro Woche. Viele sahen sich nicht in einem Beschäftigungsangebot oder in einer Werkstatt für beeinträchtigte Menschen arbeiten... Bis zum Renteneintritt habe ich das Projekt geleitet – es war eine sehr sinnstiftende, beratende und politische Arbeit.
Um eine politische Bühne für diese Gruppe von Menschen zu schaffen, haben wir den Austausch mit dem LBB gesucht, damals war das noch Herr Steinbrück. Mit Hilfe des Teams des LBB haben wir ein Fachforum mit Politik und Wirtschaft durchgeführt „Ganz oder gar nicht arbeiten – Arbeit für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen“.
Das Projekt MitArbeit hat mit seinem sehr kreativen Team einen DUOday initiiert. Ein Tag im Betrieb für Menschen mit Beeinträchtigung. Den DUOday haben wir seit 2017 jährlich durchgeführt, ein großes Netzwerk ist entstanden und eine sehr positive Erfahrung für die teilnehmenden Menschen und Betriebe wurde möglich. Auch Arne Frankenstein als LBB stellte seinen „Betrieb“ vor. Durch das offene Angebot am neuen Landesaktionsplan mitzuarbeiten konnten wir dieses Thema dort einbringen und vielleicht wird der jährliche DUOday einmal so selbstverständlich wie der Zukunftstag für Jungen und Mädchen.
Was kommt jetzt? Seit 2015 arbeite ich sehr aktiv mit Geflüchteten. Ich habe ein Projekt angestoßen, Geld gesammelt für Nähmaschinen. Andere hatten die Idee zusammen zu kochen. In St. Pauli durften wir die Räume nutzen und es ist ein Treffen entstanden, wöchentlich, jeden Freitag wurde, bis Corona kam, genäht und gekocht. Die syrischen und afghanischen Schneider haben geflickt und tausend Hosen gekürzt, die anderen haben gekocht, oft waren wir 30 – 50 Menschen. Viele können dort das tun, was sie können! Und nebenbei wird über Schule und Arbeit, das JobCenter und vieles mehr geredet. Viele der Neubremer:innen sind Teil dieser Freiwilligenarbeit geworden.
Ob in der ehrenamtlichen Arbeit oder in meiner beratenden Tätigkeit, für mich gilt: Menschen haben Potentiale, lieben es, das zu tun, was sie können – ich unterstütze, wenn es um den Abbau von Barrieren im Kopf geht oder wenn Orte und Möglichkeiten eröffnet werden müssen.
Und jetzt? Ich bleibe am Ball.