Mein Name ist Achim Tischer, ich lebe seit 1983 in Bremen. Vorher habe ich in Göttingen Kulturwissenschaften studiert, aber vor allem mehrere Jahre in verschiedenen freien Gruppen und auch Solo Theater gemacht.
Seit 1987 arbeite ich auf einem besonderen sozialen und kulturellen Feld. Mein Arbeitsplatz ist heute die KulturAmbulanz im Park des Klinikums Bremen-Ost. Schon vorher habe ich freiberuflich auch in verschiedenen Psychiatrien Kunst- und Kulturprojekte entwickelt und realisiert. Zunächst war es meine Aufgabe, am Rande der Institution Psychiatrie Kunst- und Theaterprojekte zu entwickeln, die Brücken zwischen dem Krankenhaus, dem Stadtteil Osterholz und der Stadt Bremen schlagen sollten. Mit Patient:innen der Psychiatrie entstanden zahlreiche Theaterproduktionen, die auch außerhalb der Klinik aufgeführt wurden. Es entstanden neue feste Kulturorte: das Krankenhaus-Museum, das Haus im Park und die Galerie. Ich bin seit 1995 für den Ausstellungsbereich des Krankenhaus-Museums verantwortlich und war seitdem an weit über einhundert Ausstellungsprojekten maßgeblich beteiligt.
Einer meine bewegendsten Momente meiner fast 35jährigen beruflichen Tätigkeit im Rahmen der heutigen KulturAmbulanz liegt sehr lange zurück. 1992 habe ich die Ausstellung „Euthanasie in Hadamar“ nach Bremen geholt. Sie wurde noch im alten Haus im Park im Park des Klinikums Bremen-Ost gezeigt und fand großes Interesse. Zum ersten Mal wurden die Medizinverbrechen im Nationalsozialismus in Bremen in einer großen Ausstellung öffentlich präsentiert. Zu Besuch kam auch eine Gruppe der Schule für Gehörlose aus der Marcusallee. Mitten in der Führung gingen die Fragen der behinderten jungen Menschen nur in eine Richtung. „Was wäre passiert, wenn ich vor 50 Jahren gelebt hätte?“ Hätte man mich auch umgebracht?“ Meine Antwort machte die Jugendlichen fassungslos.
Diese Betroffenheit und ehrliche Selbstreflexion hat mich damals lange beschäftigt und war ein wichtiger Impuls, das Thema in Bremen immer wieder als Ausstellung, als Veranstaltung oder Führung in den öffentlichen Raum zu stellen – eigentlich bis heute. Existentielle Themen über den Lebenswert von Menschen oder über die Geschichte des Down-Syndroms - „Touchdown“ - waren immer wieder Gegenstand spannender Kooperationen nicht nur mit dem Team des Landesbehindertenbeauftragten sondern auch mit ganz besonderen Menschen, die ich kennenlernen durfte. Eine Kultur der Inklusion hat sich so für mich als eine Lebens- und Arbeitsperspektive entwickelt.
Derzeit beschäftige ich mich damit, das Krankenhaus-Museum auch für die Zukunft fit zu machen, mit neuem Konzept und frischen Ideen. Dieser besondere Ort hat meines Erachtens eine wichtige Aufgabe in Bremen, nämlich Menschen zusammenzubringen, die sich mit elementaren Menschheitsfragen auseinandersetzen, zu denen Krankheit und Gesundheit genauso wie Normalität und Anderssein wesentlich dazu gehören. Für die Gegenwart halte ich den Dialog zwischen Vernunft und Unvernunft, zwischen Normal- und Ver-rückt-Sein, zwischen verschieden Kulturen und Lebensentwürfen für eine wichtige Aufgabe, bei der wir aus der Vergangenheit für eine inklusive Zukunft schöpfen können.