Vielen Dank für die Einladung, mich als neue Vorsitzende des Vorstands von SelbstBestimmt Leben e. V. Bremen vorzustellen. Mein Name ist Imke Schilling, ich bin 31 Jahre alt und Rollstuhlnutzerin.
Nach meinem Abitur bin ich 2008 zum Studium nach Bremen gezogen und nutze seitdem das Modell der persönlichen Assistenz, um mir einen selbstbestimmten Alltag zu organisieren. Ich habe an der Universität Bremen von 2008 bis 2014 Gesundheitswissenschaften/ Public Health studiert. Neben der Frage, was eigentlich Gesundheit ist, reizte mich besonders die Vielfalt der Perspektiven, die Public Health einbezieht, um komplexe Probleme zu lösen. Seit dem Abschluss meines Studiums arbeite ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen. Besonders interessiere ich mich für Patient*innenorientierung sowie Einflussmöglichkeiten der Nutzer*innen im Gesundheitssystem und setze mich damit auseinander, wie diese gefördert werden können. So habe ich zu der Frage promoviert, wie die aktive Beteiligung von Patient*innen an Forschung gelingen kann. Indem die Perspektive der Patient*innen in die Gestaltung von Forschungsprojekten einbezogen wird, sollen diese stärker an den Interessen von Patient*innen orientiert werden und Fragen untersuchen, die für Patient*innen wichtig sind. Aktuell arbeite ich an einem Projekt zum Empowerment von Patient*innen durch und für Patient*innenbeteiligung.
Bei den Themen Empowerment, Teilhabe und nutzer*innenorientierter (Gesundheits-)Versorgung überschneiden sich meine privaten, fachlichen und gesellschaftspolitischen Interessen. Neben meinem beruflichen Weg setze ich mich seit vielen Jahren ehrenamtlich für die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen ein. Ich war vier Jahre lang im Aufsichtsrat der Assistenzgenossenschaft Bremen tätig und bin seit dem Jahr 2015 Vorständin des Vereins SelbstBestimmt Leben e.V. Bremen, der sich auf gesellschaftlicher und politischer Ebene für die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen einsetzt und eine Beratungsstelle unterhält.
Im September 2020 wurde ich von der Mitgliederversammlung zur Vorsitzenden des Vorstands von SelbstBestimmt Leben e. V. Bremen gewählt. Das war eine besondere Mitgliederversammlung. Weniger der Wahlen halber als vielmehr durch die Situation, in der wir uns durch die Corona-Pandemie befanden und weiterhin befinden. Wir alle merken die Auswirkungen dieser Pandemie in unserem Alltag. Viele Dinge, die bislang selbstverständlich waren, ändern sich. Für uns stellte sich bei SelbstBestimmt Leben dabei auch die Frage, wie wir die Mitgestaltung und die Arbeit in unserem Verein am Leben halten können. Ein Teil unserer Mitglieder gehört Risikogruppen an. Nicht nur für die Mitgliederversammlung, sondern auch darüber hinaus galt und gilt es, Möglichkeiten zu schaffen, die es trotzdem und gerade jetzt einem breiten Spektrum an Menschen ermöglichen, ihre Stimme einzubringen.
Die Corona-Pandemie fordert eine fortlaufende Auseinandersetzung mit den Risiken, aber auch den Chancen, die sich aus ihr ergeben. Während die Freiheitsrechte in Heimen unglaublich stark eingeschränkt wurden, nahm der digitale Fortschritt rasant an Fahrt auf und ermöglichte plötzlich ganz neue Formen des Austauschs und der Zusammenarbeit. Mir ist es wichtig, dabei achtsam zu bleiben für die Bedürfnisse aller und keine Stimmen auf dem Weg zu verlieren. Es gilt die Chancen der aktuellen Entwicklungen zu nutzen und dabei die Gefahr des Rückfalls in – zum Glück – veraltete Muster im Blick zu behalten, nicht nur in der Behindertenbewegung, sondern im Sinne vieler Gruppen und übergreifend in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Ich freue mich, in den kommenden Jahren an diesen Aufgaben weiter mitwirken zu können.