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68. Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen in Bremen

30 Jahre Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz: Die Vorgaben der Verfassung für die Transformation in eine inklusive Gesellschaft beachten!

Vom 14. bis 15 November fand die Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für die Belange von Menschen mit Behinderungen in Bremen statt.
Anlässlich des 30. Jahrestags des Inkrafttretens des besonderen Benachteiligungsverbots im Grundgesetz haben sich die Beauftragten im Rahmen ihres 68. Treffens intensiv mit den rechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes befasst. Aus ihnen haben sie 6 Forderungen abgeleitet, die insbesondere darauf abzielen, Sonderstrukturen systematisch abzubauen und selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen außerhalb von Einrichtungen ebenso wie eine gemeindenahe psychiatrische Unterstützung von Menschen in psychischen Krisen ohne Zwang zu gewährleisten. Mit ihnen wenden sich die Beauftragten mit dem „Bremer Appell“ an die Öffentlichkeit:

Pressemitteilung zur 68. Konferenz der Beauftragten

Bremer Appell: Die Vorgaben der Verfassung für die Transformation in eine inklusive Gesellschaft beachten!

Bremer Appell in Gebärdensprache


Zum Ende der Konferenz haben die Beauftragten den Bremer Appell verabschiedet. Schwerpunkt des Appells ist die Befassung mit dem besonderen Benachteiligungsverbot in Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz, welches vor 30. Jahren in die Verfassung aufgenommen wurde und damit eine bestehende Lücke schloss.
Allerdings werden trotz der bestehenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen Menschen mit Behinderungen weiterhin strukturell benachteiligt. Der Landesbehindertenbeauftragte Bremens und Sprecher der Konferenz, Arne Frankenstein: „Die Verfassung enthält einen Transformationsauftrag hin zu einer inklusiven Gesellschaft. Diesem kommt Deutschland gegenwärtig nicht hinreichend nach.“
Zudem stellte die Konferenz fest, dass nach wie vor für Menschen mit Behinderungen viele Sonderstrukturen bestehen. Arne Frankenstein erklärte hierzu: „Insbesondere beim Abbau benachteiligender Sonderstrukturen verdichten sich die Vorgaben der Verfassung zu einem unmittelbaren Handlungsauftrag. Wir appellieren daher heute sehr eindringlich, dass Deutschland insbesondere den Abbau von Sonderstrukturen als politischen Handlungsschwerpunkt weiterverfolgt und hierfür die erforderlichen Haushaltsmittel bereitstellt.“

Antje Grotheer (Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft)

Mit norddeutscher Pünktlichkeit wurde die Konferenz offiziell durch den Gastgeber Arne Frankenstein eröffnet. Erstmals seit acht Jahren kamen die Beauftragten wieder in Bremen zu ihrer Konferenz zusammen. Zu Beginn sprach Antje Grotheer, die Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, ihr Grußwort. Sie machte deutlich, dass das Benachteiligungsverbot im Grundgesetz maßgeblich durch den Einsatz der Behindertenbewegung erkämpft wurde und dass es notwendig ist, weiter an einer inklusiven Gesellschaft zu arbeiten, in der behinderte Menschen in allen Lebensbereichen die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben wie alle anderen.

Dr. Andreas Bovenschulte (Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen)

Die Konferenz bedankt sich bei Dr. Andreas Bovenschulte für die unmissverständliche Botschaft, dass eine vollumfängliche gesellschaftliche Teilhabe behinderter Menschen auch in Zeiten knapper Ressourcen erklärtes Ziel in Bremen bleibt. Als besonders wichtige Bausteine erachtet der Präsident des Senats hierbei ein inklusives Schulsystem und die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt. Im Austausch wurde deutlich, dass der Weg zu einem teilhabeorientierten und chancengerechten Miteinander noch lang ist und die Anstrengungen zur Weiterentwicklung intensiviert werden müssen. Die Beauftragten begrüßen vor diesem Hintergrund auch den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz aus dem Oktober 2024, aus dem nun konkrete Maßnahmen folgen müssten.


Antje Grotheer und Arne Frankenstein am Konferenztisch
Andreas Bovenschulte (mitte) spricht anlässlich des Treffens mit den Beauftragten von Bund und Ländern für die Belange von Menschen mit Behinderungen (KBB). Andreas Conrads (links außen), Kai Steuck (links) und Arne Frankenstein (rechts).

Foto: Senatspressestelle

In Ihrem Beitrag im Rahmen der Konferenz würdigte Prof. Dr. Theresia Degener den Erfolg der Behindertenrechtsbewegung vor 30 Jahren mit der Aufnahme von Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 in das Grundgesetz. Es wurde das besondere Diskriminierungsverbot: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ Teil der Verfassung. Hierbei handelt es sich zum einen um ein subjektives Abwehr- und Teilhaberecht für behinderte Menschen, zum anderen ist es aber auch Ausdruck einer objektiven Werteentscheidung, aus der sich auch Handlungs- und Schutzpflichten des Staates ableiten lassen.

Daneben machte Prof. Dr. Degener aber auch den für Deutschland in den Staatenprüfungen im Jahr 2018 und 2023 durch den UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen festgestellten dringenden Handlungsbedarf, unter anderem bei Diskriminierungen durch Institutionalisierung und Sonderstrukturen, deutlich. Sie forderte, das Potential von Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz für eine Transformation in eine inklusive Gesellschaft endlich auszuschöpfen und damit dieser besonderen Grundrechtsnorm die ihr gebührende Bedeutung zu verleihen.

Nachdem Beitrag von Frau Prof. Dr. Degener richtete die Konferenz den Blick auf das Gastgeberland der Konferenz. Jörg Utschakowski von der Senatorin für Gesundheit stellte den Bremer Weg von der Hospitalisierung zur Ambulantisierung im Bereich der Psychiatrie vor. Nach einem kurzen Rückblick auf die Anfänge der Bremer Psychiatriereform ab 2013 und der engmaschigen Begleitung durch den Landesteilhabebeirat, ging er auf Schlüsselfaktoren ein. Er benannte insbesondere die Strukturreform hin zu gemeindepsychiatrischen Verbünden als entscheidend. Hinzutreten muss zudem die verbindliche Partizipation und Kooperation mit Interessensvertretungen auf allen Ebenen. In der anschließenden Diskussion wurden die Bedeutung einer wohnortnahen psychiatrischen Versorgung und die Vermeidung von Zwang hervorgehoben. Jörg Utschakowski machte abschließend deutlich, dass bei der Umwandlung des Systems immer auch Menschen mit komplexen Hilfebedarfen zu berücksichtigen sind - andernfalls würde das System die Anforderungen der Inklusion nicht erfüllen.

Weiteren Einblick in die Praxis des Abbaus von Sonderstrukturen erhielt die Konferenz durch den Martinsclub Bremen. Die Vertreter:innen berichteten von der Auflösung der stationären Einrichtung in Huckelriede und der Überführung in das Quartierwohnen. 80% der Nutzer:innen, die damals in dieser stationären Einrichtung gewohnt haben, leben heute in einem ambulanten Setting. Deutlich wurde in dem Beitrag, dass eine grundlegende Gelingensbedingung hierfür die Beteiligung der Nutzer:innen von Anfang an gewesen ist. Die anschließende Diskussionsrunde machte deutlich, dass sich Beauftragten eine größere Zahl von Anbietern deutschlandweit wünschen, die so konsequent auf die Umwandlung von „stationär zu ambulant“ setzen und dabei behinderte Menschen von Beginn an beteiligen. „Bis 2030 wollen wir alle besonderen Wohnformen beim Martinsclub aufgelöst haben“.

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