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Wenn das Internet wie eine Mauer ist

Barrierefreiheit im Internet

Behinderte Menschen können nicht einfach im Internet surfen. Immer wieder stoßen sie dabei auf Probleme. Jeder Mensch sollte auf Webseiten zugreifen können. Vor allem auf die von öffentlichen Stellen. Deshalb sollen diese Stellen ihre Webseiten und Apps barrierefreier gestalten. Unterstützung bietet die Zentralstelle für barrierefreie Informationstechnik. Sie ist in Bremen an
den Landesbehindertenbeauftragten angegliedert.

Webseiten unter der Lupe: die durchblicker testen Barrierefreiheit im Netz

Barrierefreiheit ist wichtig. Nicht nur in den Köpfen, auf der Straße und in Gebäuden. Auch im Digitalen muss es sie geben. Die durchblicker haben Webseiten getestet – gemeinsam mit Ulrike Peter und Rebecca Romppel. Sie arbeiten bei der Zentralstelle für barrierefreie Informationstechnik.

Was testen Sie genau, und wie läuft das ab?

Ulrike Peter: Wir testen Webseiten. Wir geben Rückmeldung, was gut und was schlecht ist. Damit die Internetseiten in Bremen immer besser bedienbar werden. Die Ergebnisse, die wir mit euch herausgefunden haben, fassen wir zusammen. Dann bekommen die Leute, die die Seite programmiert haben, das Ergebnis. Zum Beispiel die Programmierer von der Seite bremen.de. Die beraten wir dann dabei, wie sie Dinge verbessern können. Die Ergebnisse werden aber auch aus Tests aller Bundesländer zusammengetragen.
Das geht anschließend an die Europäische Union. Die macht dann einen Vergleich und sagt, wie die einzelnen Länder vorankommen. 2021 gab es den ersten EU-weiten Bericht dazu. 2024 werden wieder die nächsten drei Jahre zusammengefasst.

Eine durchblickerin beim Testen

Was haben wir für Sie gerade getestet?

Ulrike Peter: Bei den Tests mit euch eben hat uns die Sprache interessiert. Gibt es Wörter, die besonders schwierig zu verstehen sind? Dann hat uns auch interessiert, wie ihr euch auf den Seiten zurechtfindet. Wo könnte man klicken, wenn man Kontakt aufnehmen will? Wie findet man dahin auf der Seite. Ist alles Wichtige gut sichtbar?

Die Zentralstelle für barrierefreie Informationstechnik ist in Bremen an den Landesbehindertenbeauftragten angegliedert. Seit wann gibt es Stellen wie Ihre?

Ulrike Peter: Stellen wie unsere gibt es in jedem Bundesland. Der Grund ist ein Gesetz, das die Europäische Union 2016 erlassen hat. In Europa steht es unterschiedlich gut oder schlecht um die digitale Barrierefreiheit. Es gibt Länder, die haben digitale Barrierefreiheit schon gut umgesetzt. Zum Beispiel die skandinavischen Staaten wie Schweden oder Estland. Die europäischen Länder sollen aber mindestens gleich gut werden. Auch innerhalb Deutschlands gibt es Unterschiede. In Bremen ist es ganz anders als im Saarland. Deswegen schauen wir jetzt in jedem Bundesland genau nach. Wie gut ist das Bundesland in Sachen Barrierefreiheit aufgestellt?

Was bedeutet das Wort digital?

Ulrike Peter: Um das zu erklären, fange ich mal mit dem Gegenteil an. Das Gegenteil von digital ist auch ein Fremdwort. Es heißt analog. Und analog bedeutet, dass man es anfassen kann. Also zum Beispiel das Buch hier auf dem Tisch ist analog. Ich kann etwas hineinschreiben. Dann habe ich ein Buch mit Notizen. Anders ist es, wenn ich auf dem Computer mit
Schreibprogramm etwas schreibe. Dann habe ich meine Notizen digital. Sie sind dann nur im Computer drin.

Bitte nennen Sie uns ein Beispiel für digitale Barrieren

Rebecca Romppel: Stellt euch vor, ihr wollt euch eine Webseite anschauen. Dort sind unterschiedliche Inhalte zu finden. Ihr habt aber keine Computermaus, sondern möchtet das mit der Tastatur machen. Wenn die Seite nicht für die Bedienung mit der Tastatur programmiert ist, wird es schwierig. Dann kann man zum Beispiel ein wichtiges Menü nicht ausklappen. Das würde einen aber weiterführen. Es ist eine Barriere, denn ich komme nicht dahin, wo ich hinwill.

Gibt es weitere Beispiele?

Rebecca Romppel: Ja, stellt euch eine Person vor, die schlecht sieht. Die Person will eine Internetseite bedienen. Und sie stellt fest: Die Seite hat gelbe Schrift auf weißem Hintergrund. Das ist sehr schlecht lesbar und damit auch eine Barriere. Schrift sollte ganz dunkel auf hellem Hintergrund sein, damit sie besser erkennbar ist.
Oder helle Schrift auf dunklem Hintergrund, damit die Kontraste stark genug sind. Noch ein Beispiel? Jemand ist gehörlos und will sich ein Video anschauen. Dann ist es wichtig, dass es Untertitel gibt. So weiß die Person, was gesagt wird.

Rebecca Romppel trägt eine Brille und ein T-Shirt mit bunten Blümchen und lächelt in die Kamera

Rebecca Romppel testet Webseiten auf digitale Barrierefreiheit. Sie schaut, dass alle Regeln eingehalten werden. Den Prüfbericht zeigt sie den Leuten, die die Webseiten gemacht haben. Sie erklärt und berät, damit die Seiten nachgebessert werden können.

Ulrike Peter: Gegenfrage: Auf welche Barrieren stoßt ihr denn beim Surfen?

Matthias Meyer: Es gibt Trojaner. Also schädliche Programme, die Daten vom Computer stehlen können. Und nervige Werbung, die aufploppt. Oder die Cookie-Hinweise, die erst mal die ganze Seite blockieren.

Ulrike Peter: Wenn eine Webseite unbekannte Bedienelemente hat, ist es auch schwer zu verstehen. Wir haben uns gerade ein Beispiel angesehen. Dabei ging es um Flohmärkte in Bremen. Auf dem Bildschirm stehen zwei Flohmärkte mit Bild und Text sichtbar nebeneinander. Man muss diese dann zur Seite schieben, damit die nächsten Flohmärkte zu sehen sind. Das ist eine ungewöhnliche Form, sich auf der Seite zu bewegen. Wenn man das nicht gewöhnt ist, findet man es vielleicht nicht. Dann sieht man weniger Informationen als die Seite eigentlich
bereitstellt. Das ist eine Barriere.

Bisher sind die Interessen von Menschen mit Sehbeeinträchtigung am stärksten berücksichtigt worden. Das ist auch in anderen Ländern so. Daher profitiert diese Gruppe im Moment auch noch am meisten vom technischen Fortschritt. Früher hatten Sehbeeinträchtigte eine Zeitung in der Hand. Sie mussten eine Audiokassette bestellen, die den Text abspielte. Oder sie mussten den Nachbarn fragen, ob der ihnen vorliest. Heute können sie Internetprogramme, also Apps nutzen und sich alles vorlesen lassen. Was Menschen mit Lernschwierigkeiten brauchen, ist noch nicht so klar. Deutschland ist aber hier weiter als viele andere europäische Länder. Vor allem bei Gebärdensprache und Leichter Sprache.

Matthias Meyer benutzt eine Pappbrille, die die Sicht verzerrt.

Die durchblicker wurden eingeladen, ein paar Internetseiten zu testen. Matthias Meyer schaut durch eine besondere Brille. So kann er sich in eine Person hineinversetzen, die sehr schlecht sieht..



Wie gut ist Bremen denn in Sachen Barrierefreiheit?

Ulrike Peter: Eine Internetseite, wo wir sagen können: Die ist perfekt? Im Moment gibt es keine. Wenn Sachen neu geplant werden, wird Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht. So war es damals bei der Corona-Warn-App. Aber auch da haben Menschen mit Behinderung teilweise Kritik geübt haben. Und es wurde noch einmal verbessert. Die Internetseiten bremerhaven.de und bremen.de nutzen die gleiche Technik. Und auch zum Beispiel die Bereiche des Senats. Gleiche Technik – nur unterschiedliche Inhalte. Da ist die Barrierefreiheit auf der technischen Seite schon recht gut.
[Ergänzung: bremerhaven.de, bremen.de und die Auftritte der Bremer Behörden nutzen jeweils ein eigenes technisches System für mehrere unterschiedliche Webauftritte.]

Was regt Sie in Ihrem Arbeitsalltag auf?

Rebecca Romppel: Wenn ich Leuten die gleichen Dinge 10-mal sage. Und die machen das dann nicht. Wenn ich eine Internetseite teste und sehe, dass etwas verkehrt ist. Aber die Ansprechpersonen wollen das nicht einsehen. Zum Beispiel, weil sie es anders schöner finden. Dann bleibt das Problem weiter bestehen. Wir müssen noch viel aufklären. Aber es gibt
auch Menschen, die total motiviert sind. Wenn man denen sagt, wie sie es noch besser machen können? Dann sind sie total glücklich.

Ulrike Peter: Barrierefreiheit auf Internetseiten ist nicht gleichbedeutend mit „langweilig“. Es geht auch in „schön“. Das Schönste ist, wenn die Leute etwas erkennen. Nämlich, dass sie dann mehr Kunden mit ihren Inhalten erreichen. Das ist wie in einem barrierefreien Gebäude. Dort hinein kommt man am besten ebenerdig, ohne Stufen. Davon haben nicht nur Menschen
im Rollstuhl etwas. Sondern auch Menschen mit Rollatoren und Kinderwagen. Genauso ist es bei einer barrierefreien Webseite auch.

Ulrike Peter trägt ein pinkes Oberteil und eine weiße Jacke und schaut einem Durchblicker beim Testen am Laptop über die Schulter.

Ulrike Peter leitet seit 2019 die Zentralstelle für barriere-freie Informationstechnik. Das wird so abgekürzt: ZenbIT. Sie macht viel Öffentlichkeitsarbeit. Ihr Ziel ist zu zeigen, was Barrierefreiheit im Internet bedeutet. Das will sie besonders vielen Menschen nahebringen.

Weiterführende Links

Hier finden Sie Videos zum Thema „Digitale Barrieren“ und wo man sie melden kann.
lbb.bremen.de/dsvideo

Und hier gibt es im Adventskalender tägliche Technik-Tipps:
lbb.bremen.de/advent

Die Zentralstelle für barrierefreie Informationstechnik ist auf dem Teerhof 59 in Bremen.
Telefon: 0421 361-18187

Quelle: Dieser Text wurde im m Magazin des Martinsclub Bremen e.V. in der Ausgabe 4/2023 veröffentlicht.
Die Fotos sind von Frank Scheffka.

die durchblicker

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